Montag, 8. Oktober 2012

Text von Ludwig Küper - Pflichtlektüre?

 

Vorab möchte ich mich bei Ludwig Küper bedanken für die Arbeit,
die er sich hier gemacht hat.

-----
Auch wenn nicht alles was dort zu lesen ist,
meiner Überzeugung entspricht
und ich an der einen oder anderen Stelle
meine Probleme habe ihm zu folgen,
ich mich manchmal anstrengen musste, weiter zu lesen

in der Quintessenz kann/muss ich ihm einfach Recht geben!

Jeder aktive Rassehundemensch,
insbesondere jeder Züchter, Richter,...
sollte diese Zeilen gelesen haben und
sie zum Anlass für ein Überdenken seines Handels nehmen.

Eine wahrlich diskussionswürdige Lektüre

da ich diesen Text nur auf der Seite Superflys.de als PDF finden konnte
und es einiger User ohne entsprechendes Programm gibt,
habe ich mir erlaubt den Text hier einzukopieren.
Ich empfehle ihn auszudrucken und dann zu lesen:


Hundeaustellungen und Hintergründe...


Oh wie eure Natur von selbst zum Schmucke sich eignet,
Wie auf so mancherlei Art jeglichen Schaden ihr heilt.
(Ovid)

Inhalt
Einleitung
Entstehung von Ausstellungen
Der Standard
Die Richter
Die Aussteller
Einfluss auf Körper und Wesen
Ausstellerterminologie und Züchterideologie
Schlussbetrachtung
Literaturnachweis

© Ludwig Küper 2012
Soweit keine gewerblichen Zwecke damit verfolgt werden, ist es erlaubt,
dieses Dokument zu kopieren oder zu vervielfältigen.

Einleitung
Hundeausstellungen sind Veranstaltungen, die teilweise mit großem Aufwand geplant und durchgeführt werden, angefangen bei eintägigen Schauen im Grünen bis zu den dreitägigen Ausstellungen in den Westfalenhallen in Dortmund. Warum werden diese Veranstaltungen durchgeführt? Was geschieht dort vor und hinter den Kulissen? Wozu sind sie gut? Wozu taugen sie nicht? Und wofür sind sie schlecht? Was geschieht am Rande? Einige betrachten Ausstellungen als Jahrmarkt der Eitelkeiten, andere als notwendiges Übel, wieder andere als Möglichkeit Gleichgesinnte zu treffen usw. Was sind sie denn nun wirklich? Das sind einige der Fragen, denen hier nachgegangen werden soll, indem Beteiligte selbst zu Wort kommen.

Bevor nun der Verdacht aufkommt, ich wollte in das Lied einstimmen, das Rassehundezucht verdammt, möchte ich folgendes klarstellen: Es gibt gute Gründe für die Zucht von Rassehunden. Genauso wenig will ich jene kritisieren, die Mischlinge vorziehen. Jeder soll mit dem Hund leben, der ihm gefällt. Ich sehe allerdings einen objektiven Vorteil in der Zucht von Rassehunden und zwar den, dass ein Käufer sich vor dem Erwerb ein ungefähres Bild davon machen kann, was er hinterher mit dem Hund anfangen kann und was nicht bzw. welche rassetypischen Bedürfnisse ein Hund hat und ob und wie der zukünftige Halter diesen Bedürfnissen gerecht werden kann. Bei Mischlingen ist das naturgemäß nicht möglich.
Im Laufe der Jahre habe ich Erfahrungen sammeln können als Mitzüchter von Whippets, als Zuschauer bei Ausstellungen, einige Male als Aussteller, als Ringordner und als Sonderleiter, aber auch als aktives Mitglied in einem Windhundrennverein. Ich schreibe also nicht vom grünen Tisch aus. Da ich mit Windhunden zu tun hatte und habe, werden fast alle Beispiele aus diesem Bereich stammen. Aber das ändert nichts an den grundsätzlichen Gemeinsamkeiten der Ausstellungen.
An einigen Stellen wäre es sinnvoll gewesen, die Sachverhalte durch Bilder zu erhellen. Aber wer will schon seine Hunde für eine eventuelle Kritik an ihnen zur Verfügung zu stellen. Für Bilder, die allgemein zugänglich sind, gibt es in der Regel ein Copyright. Erfahrungsgemäß sind Fotografien – besonders von Hunden in Ausstellungspose – zudem häufig irreführend. Bei Zeichnungen besteht immer die Gefahr der Ungenauigkeit oder des Verdachts, dass man sich das so malt, wie man es gerade braucht. Deshalb gibt es also keine Bilder.
Einige der im Folgenden nicht näher belegten Zitate entstammen mittlerweile geschlossenen Foren im Internet. Deswegen ist ein exakter Nachweis der Quelle in diesen Fällen nicht mehr möglich.
Dass recht häufig Afghanische Windhunde erwähnt werden, liegt daran, dass bei dieser Rasse Unterschiede in den Zuchtzielen sehr deutlich zu erkennen sind.

Entstehung von Ausstellungen
In der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde in England durch die Industrialisierung vielen Hunden die Basis ihrer Arbeit entzogen. Einigen Rassen – wie etwa dem Irischen Wolfshund - war die Existenzgrundlage schon vorher entzogen, weil es z. B. einfach keine Wölfe mehr zu jagen gab (vgl. Hasselbrink S. 10 f). Trotzdem wollte man die verschiedenen Rassen oder besser Schläge erhalten. Wie es heißt, hat der Mensch mit der Zähmung des Wolfs das beste Geschäft seiner Entwicklung gemacht. Ohne Hunde mit ihren unterschiedlichen Fähigkeiten wäre die Menschheit heute sehr wahrscheinlich nicht da, wo sie ist. Auch die ärgsten Hundefeinde natürlich nicht. Auch sie verdanken ihre Existenz in ihrer jetzigen Form in gewissem Maße den Hunden. Und Hunde leisten das in anderer Weise Tag für Tag immer noch, sei es als Anlass, sich zum täglichen Spaziergang aufzuraffen, als Kontaktvermittler bei diesen Spaziergängen, als Therapiehunde, als Schutzwall gegen Einsamkeit oder einfach nur als täglicher Begleiter. Das sind zunächst einmal gute Gründe, Hunde in ihrer Vielfalt – und gerade auch als Rassehunde - zu erhalten. Andererseits versetzte die Industrialisierung und der damit einhergehende Reichtum zunehmend Menschen in die Lage, Tiere zu halten, die nicht in der einen oder anderen Form zum Lebensunterhalt beitragen, sondern nur Geld kosten – also eine Form des Luxus darstellen. Diejenigen, die der Ansicht waren, dass Hunderassen ungeachtet ihrer praktischen Untauglichkeit erhalten bleiben sollten, mussten ihre Hunde an Menschen abgeben können, die in der Lage waren, Hunde ungeachtet ihrer praktischen Untauglichkeit zu halten. Haustiere wurden zum Statussymbol. Als solche müssen sie öffentlich wahrnehmbar sein und eine Rangfolge erkennen lassen. Also trifft man sich, um sich von unabhängiger Seite bestätigen zu lassen, wer der bessere ist. Tricky Woo unterscheidet sich aber nun allzu sehr von Lassie, als dass man sie wirklich miteinander vergleichen könnte. Also muss ein Maßstab her, der Unterschiede auf der einen und Gemeinsamkeiten auf der anderen Seite klarstellt. Im Grunde genommen basiert die Rassehundezucht, wie wir sie heute kennen, zu einem guten Teil auf Angeberei.
Beide Herangehensweisen sind bis heute vorhanden. So entwickelte man also Rassestandards. Und um die Einhaltung dieser Rassestandards überwachen zu können, brauchte man eine Organisation. So entstand der Britische Kennel Club als erste umfassende Organisation zur planmäßigen Hundezucht in großem Stil und hat Nachahmer in der ganzen Welt gefunden. Moderne Rassehundezucht ist ohne die Entwicklung von Ausstellungen und Standards nicht denkbar.

Der Standard
Hunde verschiedener Rassen sollen also bei einer Ausstellung anhand eines Standards begutachtet und bewertet werden. Willis (S. 12) definiert eine Rasse folgendermaßen: „Als ‚Rasse’ definieren wir eine Gruppe untereinander verwandter Tiere, die sowohl in ihrer äußeren Erscheinung als auch in ihrer genetischen Vererbung einander so ähnlich sind, dass man sie untereinander paart, sie Nachzuchten mit körperlichen Eigenschaften hervorbringen, die denen ihrer Eltern weitgehend gleich sind. Damit sind Hunderassen klar voneinander unterscheidbare ‚rassische’ Gruppen, die getrennt von anderen gezüchtet werden.“ Hinzufügen sollte man auf jeden Fall noch, dass die Nachzuchten nicht nur in Bezug auf die körperlichen, sondern insbesondere auch auf die grundlegenden wesensmäßigen Eigenschaften ihren Eltern gleichen sollten.
Was ist nun so ein Rassestandard? Ganz allgemein gesagt, beschreibt er detailliert den Idealtyp eines Rassehundes von der Nase bis zu den Hinterpfoten, seinen Umriss, sein Erscheinungsbild, seine Funktion, eventuell ideale Größe und Gewicht usw., aber auch Fehler oder Merkmale, die zu einem Zuchtausschluss führen können oder sollen.
Anhand eines Rassestandards sollte man in der Lage sein, sich ein ungefähres Bild von einem Rassehund zu machen, ohne jemals ein Exemplar zu Gesicht bekommen zu haben. Es ist auch das Bild, das ein Richter vor seinem geistigen Auge haben sollte, wenn er die Hunde bewertet. Naturgemäß ist eine verbale Beschreibung immer etwas ungenau, und deshalb entsteht vor jedem Leser dieses Standards ein etwas anderes Bild. Auch deshalb haben Richter unterschiedliche Idealtypen vor Augen. Und diese Idealtypen unterscheiden sich manchmal gewaltig von denen, welche die Aussteller vor Augen haben, die den besten und schönsten Vertreter dieser Rasse ihr Eigen nennen wollen.
Die Tatsache, dass es viele unterschiedliche Vorstellungen vom Idealtyp einer Rasse gibt, hat natürlich Konsequenzen. Manche davon sind nützlich, manche führen zu Kopfschütteln, und manche kann man schon dramatisch nennen.
Nützlich sind unterschiedliche Vorstellungen von Hunden insofern, als es prinzipiell gut für eine Rasse ist, wenn unterschiedliche Zuchtziele vorhanden sind und gefördert werden. Eine Rasse mit einem einheitlichen Erscheinungsbild wäre nicht mehr entwicklungsfähig und gesundheitlich am Ende. Ein vollkommen einheitliches Bild wird keine Rasse je bieten, aber als Faustregel kann man sagen: Je mehr unterschiedliche Typen es innerhalb einer Rasse gibt, desto größer ist die Chance, dass die Hunde nicht unter Erbdefekten leiden bzw. diese bekämpft werden können. Insofern sollte es also auf lange Sicht auch im Interesse eines Ausstellers sein, der sich in eine Rasse verliebt hat, wenn sein eigener Hund einmal nicht gewinnt, sondern einer, der ganz anders aussieht.
Auf der anderen Seite kommt es vor, dass man dem Urteil von Richtern beim besten Willen nicht folgen kann, weil deren Vorstellungen doch so ganz anders sind als man es gewohnt ist – um es einmal möglichst vorsichtig auszudrücken.
Ein Standard entsteht, indem sich Fachleute zusammensetzen, ihr gemeinsames Wissen formulieren und zu Papier bringen. Dabei soll beschrieben werden, wie ein Hund idealerweise aussieht, um eine bestimmte Funktion oder einen Verwendungszweck zu erfüllen. Der Grund dafür liegt, wie bereits angedeutet, darin, dass es in vielen Fällen nicht möglich ist, anhand einer ursprünglichen Arbeit zu entscheiden, ob ein Hund besser ist als andere. In England hat man es mit folgender Formel auf den Punkt gebracht: Form follows function - Die Form folgt der Funktion. Diese Form zu beschreiben ist Sinn und Zweck eines Rassestandards.
Eine Besonderheit stellt z. B. der Standard für Afghanische Windhunde dar. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts tauchten erstmals vereinzelte Hunde dieser Rasse in England auf. Nach dem ersten bei einer Ausstellung vorgestellten – Zardin – wurde der erste Rassestandard erstellt. (Was eigentlich ein ziemlicher Wahnsinn ist. Anhand eines Exemplars kann man schwerlich einen Idealtyp beschreiben. Aber möglicherweise war es für niemanden im Bereich des Denkbaren, dass jemand einem Offizier und Gentleman einen Hund aufs Auge gedrückt haben könnte, den man wegen seiner Unbrauchbarkeit sowieso loswerden wollte.) Später tauchten dann aber Importe dieser Rasse in England auf, die anders aussahen als dieser Zardin und auch noch untereinander Unterschiede aufwiesen – insbesondere in der Behaarung. Und beide waren natürlich nach Meinung ihrer Besitzer die einzig richtigen. Tatsächlich handelte es sich um verschiedene Schläge mit unterschiedlichen Aufgaben in ihrem Ursprungsland – bedingt durch andere topographische Gegebenheiten. Im Bergland mussten die Hunde natürlich ihre Arbeit anders verrichten und gegen Witterungseinflüsse anders geschützt sein als in der Steppe. Aber zur Erstellung EINES Standards war das natürlich eine ungeeignete Überlegung. Man entschied sich 1925 in Europa für die Bergafghanen mit dem dichteren und längeren Fell als Vorbild für den Rassestandard. Es lässt sich natürlich nicht belegen, sondern nur vermuten, dass es sich hier eher um eine Lobby- als eine sachliche Entscheidung handelt.
Lt. Beyersdorf (S. 21) führt ein internationaler Standard dazu, dass ein Rassehund in Belgien im Prinzip genauso aussieht wie in Deutschland und „die Urteile hier wie dort im Grunde kaum voneinander abweichen“ können. „Kaum voneinander abweichen“ ist sicher ein dehnbarer Begriff. Es lässt sich sehr leicht zeigen, dass Beyersdorf sowohl Recht als auch Unrecht hat. Wenn man zwei Afghanische Windhunde vergleicht, von denen einer aus einer Show- und einer aus einer Leistungslinie stammt, sehen sie sich nicht besonders ähnlich. Der Ausstellungshund hat ein langes, eher seidiges Fell, teilweise von der Brust bis zum Boden hängend. Der Leistungshund verfügt im Extremfall nur über Andeutungen von langem Haar. Trotzdem entsprechen beide in gewisser Weise dem Rassestandard. Andererseits gibt es eben Afghanen in Amerika, Australien und Europa, denen man die Zugehörigkeit zu dieser Rasse sofort ansieht. Ähnlichkeit und Vergleichbarkeit sind schließlich Erfordernisse eines jeden Standards. Ein Standard sorgt also dafür, dass weltweit bestimmte Erscheinungsformen verbreitet werden, unabhängig von klimatischen oder topographischen Gegebenheiten.
Ausgerechnet ein belgischer Richter war es, der einem Hund von mir Bekannten die Wertnote „Vorzüglich“ gab. Meine Bekannten wurden bei der nächsten Ausstellung vom Richter gebeten, den Hund zurückzuziehen, damit er keine schlechte Bewertung erhalten müsste. Denn schließlich hätte der Hund einen zuchtausschließenden morphologischen Fehler. Solche Beispiele werden sicher recht häufig zu finden sein. Es passt nur an dieser Stelle gerade so gut, um zu zeigen, dass ein international gültiger Standard zunächst einmal keine Garantie für irgendetwas ist. Und schon gar nicht dafür, dass nur einwandfreie Hunde eine Bestnote erhalten. Wenn Beyersdorf mit seiner Annahme uneingeschränkt Recht hätte, könnte es eigentlich auch nicht vorkommen, dass Rassen sich innerhalb weniger Jahre so verändern, dass man sie kaum wieder erkennt. Ganz im Gegenteil haben sich in den letzten 130 Jahren Hunde sehr viel mehr verändert als in den 500 Jahren vorher. (vgl. Willis S. 12)
Nun verhält es sich mit Rassestandards so, dass sie genau genommen nur für Hunde notwendig sind, die gar keine Funktion mehr in dem Sinne erfüllen, dass sie eine Arbeit verrichten. Niemand, der z. B. Hütehunde braucht, macht sich zunächst einmal die Mühe, einen Rassestandard und mögliche Interpretationen auswendig zu lernen, Hunde anhand des Gelernten zu begutachten und danach zu entscheiden, ob ein Hund möglicherweise seine Arbeit verrichten kann bzw. für die Zucht in Frage kommt. Das geht sehr viel pragmatischer zu. Das einzige Kriterium ist die tatsächliche, nachprüfbare Eignung für eine bestimmte Arbeit. Dass so auf regionaler Ebene auch Hunde mit sehr ähnlichem Äußeren entstehen, ist da nicht nur logisch, sondern geradezu zwingend.
Die Verwendung von Rassestandards als Zuchtkriterium dreht das aber genau um. Wenn ein Hund eine bestimmte Form hat, so die Logik, muss er auch eine bestimmte Funktion erfüllen können. Damit erhält aber die Form den Vorrang und folgt eben nicht mehr der Funktion. Was macht aber nun ein Hund, der dem Standard zufolge für eine spezielle Arbeit im Gebirge gezüchtet wurde, im Münsterland? Auf gar keinen Fall verrichtet er eine seiner Form entsprechende Arbeit, weil es dort eben keine Gegend gibt, in der er seine besonderen Fähigkeiten einsetzen könnte. Wenn er überhaupt eine körperliche Leistung vollbringen soll, lässt sich allenfalls eine Ersatzarbeit finden, die sich aber mit einer Arbeit in seiner ursprünglichen Heimat sicher nur mit sehr großen Einschränkungen vergleichen lässt. Das ist einer der Gründe, warum der amerikanische Whippetstandard vom Whippetstandard der F.C.I. bzw. des British Kennel Club abweicht. In Amerika wurden Whippets nicht für die Jagd auf Kaninchen sondern auf Hasen eingesetzt und mussten dementsprechend über andere Voraussetzungen verfügen. Insofern ist ein weltweit einheitlicher Standard sinnlos bzw. nur insoweit sinnvoll als er von der konkreten Arbeit abstrahiert.
Beyersdorf (S. 18ff) zitiert Oberländer „Quer durch deutsche Jagdgründe“ von 1897, in dem der Autor auf die Notwendigkeit von praktischen Prüfungen im Gegensatz zu einer reinen Bewertung des Äußeren hinwies. Da er allerdings nur über Jagdhunde schrieb, war er der Ansicht, dass Hunde ohne praktischen Wert gar keinen Wert hätten. Das kann man in einer Umwelt, die Jagd zur Unmöglichkeit macht, so sicherlich nicht stehen lassen, vor allem, da immer schon nicht alle Hunde Jagdhunde waren. Alle Standards beschreiben aber eine Idealform zur Verrichtung einer Funktion. Beyersdorf weiter: „Immer noch wird zwischen den Jagdgebrauchshunde-Leuten und dem von dieser gern als <<Schönheitszüchter>> bezeichneten, meist zahlenmäßig größeren Teil der Züchter ein Interessenkonflikt deutlich. Dabei wird leider oft übersehen, dass nur der in seinem Standard stimmige Jagdhund ein für die Zucht wirklich interessanter Hund ist… Am Anfang allen Bemühens auch um den brauchbaren Jagdhund steht also die Vorgabe, einen dem Rassestandard entsprechenden Hund zu züchten, egal was später mit ihm geschehen soll.“ Abgesehen davon, dass die Zahl der Züchter keinen inhaltlichen Beweiswert hat, wird hier die Unlogik deutlich, mit der versucht wird, Ausstellungen als notwendige Voraussetzung zur Zucht guter Hunde hinzustellen. Umgekehrt zu dieser Logik muss man festhalten, dass ein Hund, der eine Arbeit gut verrichten kann, automatisch auch dem Rassestandard entspricht, wenn dieser Standard die körperlichen Voraussetzungen korrekt beschreibt, die ein Hund zur Erfüllung seiner Aufgabe braucht. Insofern, aber auch nur insofern liegt Beyersdorf richtig, wenn er meint, „dass nur der in seinem Standard stimmige Jagdhund ein für die Zucht wirklich interessanter Hund ist…“. Es ist eben etwas anderes, ob ein Hund dem Standard entspricht oder nur so bewertet wird.

Der Standard ist die heilige Kuh der Hundezucht. Zu Beginn war er noch die Beschreibung einer Form, die Voraussetzung ist, um eine bestimmte Arbeit zu verrichten. Das war notwendig zur Rasseerhaltung bzw. zur Zusammenführung von mehreren Schlägen zu einer Rasse, weil die tatsächliche Arbeit nicht mehr möglich war. Es war eine Basis, auf der man aufbauen konnte, ein Rassebild in gewisser Weise zu festigen. Inzwischen ist es zwar für viele Rassen immer noch nicht möglich, die ursprüngliche Arbeit zu verrichten, aber die Rassen sind mittlerweile genetisch geschlossene Gesellschaften. (Wie weit das gut oder schlecht für die Hunde ist, ist ein anderes Thema.) Insofern kann man also nicht davon ausgehen, dass eine Beschreibung zur genetischen Festigung einer Rasse noch notwendig wäre.
Als Beschreibung einer Form zur Erfüllung einer ganz bestimmten Funktion hat der Standard in mancher Hinsicht ausgedient. So ist es zum Beispiel völlig unsinnig, darauf zu beharren, dass Whippets vor langer Zeit und ursprünglich als Kaninchenjäger Verwendung fanden. Die Hetzjagd ist hierzulande seit gut 200 Jahren verboten. Wer Whippets als Kaninchenjäger nutzt, macht sich als Wilderer strafbar. So verhält es sich mit allen Windhundrassen, ganz abgesehen davon, dass es in Europa z. B. gar keine Gazellen gibt oder jemals gab, die von arabischen Windhunden gejagt werden könnten. Was sollte es also für einen sachlichen Grund geben, Hunde für eine solche verbotene oder gar unmögliche Funktion zu erhalten? Um den Hunden eine Arbeit zu verschaffen, die trotzdem rassegerecht ist, muss man zu Ersatzarbeiten greifen, z.B. eben Windhundrennen oder Coursings. Auf Coursings gehe ich nicht näher ein, weil das eine eigene ausführliche Diskussion Wert ist. Da aber bei Windhundrennen etwas andere Anforderungen gestellt werden als bei einer echten Hetzjagd, ändert sich auch zwangsläufig bei erfolgreichen Rennhunden die Anatomie im Vergleich zu den Hunden, die vor langer Zeit eine dem Standard entsprechende Arbeit ausgeführt haben. Erfolgreiche Rennwhippets haben mittlerweile einen etwas längeren Rücken und eine etwas steilere Winkelung der Hinterhand als solche, deren Züchter behaupten, ihre Hunde wären ganz bestimmt sehr gute Jagdhunde im Sinne des Rassestandards, wenn sie es denn sein dürften. Obwohl also jede praktische Kontrolle darüber fehlt, ob sie tatsächlich gute Jagdhunde wären, wird weiterhin wegen der Beurteilungen durch Richter so getan, als ob diese Kontrolle durch die Richter gegeben wäre. Im Ergebnis sind die weitaus meisten erfolgreichen Showwhippets nicht in der Lage, bei Rennen auch nur ansatzweise mitzuhalten, wenn man sie denn überhaupt teilnehmen lässt. Ihre Anatomie lässt es einfach nicht zu. (Bei Coursings sieht das anders aus. Aber das ist – wie bereits erwähnt – ein eigenes Thema.) Wie bei allen Rassen, deren Zucht durch Ausstellungen beeinflusst ist, ähneln aber auch Showwhippets heutzutage den Whippets vergangener Tage nicht sonderlich. Auch ein Vergleich von Bildern dieser Hunde mit Bildern von erfolgreichen Whippets, wie sie vor Jahrzehnten gezüchtet wurden, führt da keineswegs zu einem Umdenken. Richter haben die standardgemäße Korrektheit bestätigt, und das reicht dann. Ein Beharren auf der Zucht von Whippets als imaginäre Kaninchenjäger im Sinne des Standards führt dazu, dass Hunde für eine Arbeit gezüchtet werden, die sie nicht ausführen dürfen, und auf der anderen Seite eine Arbeit, die man ihnen als Ersatz anbieten kann, nicht erfolgreich ausführen können. Was für die Arbeit von Windhunden gilt, gilt natürlich im Prinzip für die meisten anderen Rassen auch. Wie viele Herdenschutzhunde können noch Herden schützen, wie viele Hütehunde hüten, wie viele Jagdhunde jagen?
Rassestandards sind also nicht in jedem Fall geeignet, als Erfolg versprechende Zuchtbasis zu dienen. Sie sind sinnvoll insofern es grundsätzlich sinnvoll ist, Erkenntnisse schriftlich festzuhalten und für Zweifelsfälle ein Nachschlagewerk zu haben. Dafür wäre aber – nebenbei gesagt - eine Erläuterung des Inhalts der einzelnen Punkte insbesondere für Anfänger unumgänglich. Warum eine beschriebene Winkelung oder Pfotenform für eine Hunderasse funktionell ist, und wie einzelne Körperteile optimal zusammen wirken, ist sicher aufschlussreicher als die bloße Beschreibung. Unbedingt notwendig sind Standards für Züchter von Gebrauchshunden nicht.
Hin und wieder dienen sie auch dazu, als Begründung herzuhalten, wenn jemand etwas durchsetzen oder verhindern will. Je nachdem, wie es gebraucht wird, wird vorgeschoben, dass der Standard dieses verbietet und jenes fordert. Wer zuerst Standard sagt, hat erst einmal gewonnen. Denn jetzt müssen die anderen das Gegenteil beweisen. Weil aber jeder Standard notwendigerweise etwas ungenau ist, sind oft genug auch Gegenbeweise zu der eigenen Argumentation anhand des Standards möglich.

Die Richter
Richter sollen die Hunde anhand des Rassestandards bzw. des Bildes, das sich davon in ihrem Kopf gebildet hat, beurteilen und bewerten. Diese Bewertungen entscheiden dann auch darüber, ob ein Hund zur Zucht zugelassen wird oder nicht. Bei einigen Rassen sind noch zusätzliche Voraussetzungen zu erfüllen, aber alle Wege führen über die Richter. Damit haben die Richter es in der Hand, in welche Richtung die Zucht in Zukunft geht. Darüber besteht nirgendwo der geringste Zweifel. Dafür erhalten sie eine recht umfangreiche Ausbildung. (Hier irrt Haucke übrigens. Richter werden erst nach einer Ausbildung und einer bestandenen Prüfung ernannt und nicht ohne irgendwelche Voraussetzungen.) Soweit die Theorie.
Wie sieht es aber in der Praxis aus? Einmal davon abgesehen, dass derselbe Hund von verschiedenen Richtern höchst unterschiedlich bewertet werden kann, kann derselbe Hund vom selben Richter an einem anderen Tag ganz anders bewertet werden. Wenn es unterschiedliche Zuchtziele gibt, gibt es eben auch unterschiedliche Bewertungen dieser Zuchtziele. Es ließe sich notfalls und in einigen Fällen auch noch mit Tagesform von Richter und/oder Hund begründen. Da unterscheiden Richter sich zunächst einmal nicht von Züchtern oder Haltern. Aber das sagt nichts über die Tätigkeit eines Richters bzw. über die Konsequenzen dieser Tätigkeit aus.
Nach Ansicht vieler Richter handelt es sich bei Richten- und Züchtenkönnen um eine Gabe, die nicht erlernbar ist, vergleichbar mit einem Künstler. Diese Gabe muss dann durch viel Erfahrung geschult werden. Im Prinzip fordert jeder Richter für sich ein, dass ihm diese Gabe zugestanden wird, auch wenn es nicht jeder so deutlich sagt. Wer nicht davon überzeugt wäre, über diese Gabe zu verfügen, würde sich nicht dazu entschließen, Richter zu werden. Selbst wenn diese Annahme richtig ist, stellt sich immer noch die Frage, was von den Richtern zu halten ist, die diese Gabe nur zu besitzen glauben.
Wo Menschen richten, ist Subjektivität nicht zu vermeiden. Das hat sich herumgesprochen. Auf der einen Seite wird Richtern deswegen ein subjektives Urteil zugestanden. Auf der anderen Seite wird von ihnen ein Höchstmaß an Objektivität gefordert, weil alles andere ein Eingeständnis wäre, dass die gesamte Zuchtstrategie objektiven Kriterien gerade nicht standhält. Hierzu ein Zitat aus einer Diskussion in einem Internetforum zu dem Thema, ob ein unbekannter Hund von unbekannten Ausstellern überhaupt eine Ausstellung gewinnen kann: „…zunächst halte ich es für sehr bedenklich von vornherein Richtern Inkompetenz oder Subjektivität zu unterstellen. Ich denke in den allermeisten Fällen beurteilt der Richter einen Hund so wie er das in dem Moment für richtig hält.“ Was soll Subjektivität denn sonst sein, wenn nicht etwas, das man für richtig hält? Und wenn Richter in den „allermeisten Fällen“ so objektiv urteilen, wie es ihnen möglich ist, was ist dann mit den anderen Fällen? Subjektivität ist hier wohl verwechselt mit Willkür, möglicherweise unbewusst, aber was sollen Aussteller denn auch sonst glauben. Wenn sie nicht ganz fest davon ausgehen, dass bei Ausstellungen alles mit rechten Dingen zugeht, müssen sie ihr ganzes Bewertungssystem in Frage stellen und damit auch jedes einzelne der heiß ersehnten Championate. Zweifel an dem System kommen offenbar nicht einmal dann auf, wenn Aussteller einräumen, dass in Einzelfällen nicht objektiv geurteilt wird.
Natürlich hat es auch schon fast jeder Aussteller erlebt, dass eine Bewertung vergeben wird, weil der Besitzer sie noch braucht, damit sein Hund einen Titel erringt. Es ist ein Extrem, und selbst, wenn es auf die meisten Richter nicht zutreffen sollte, ist diese Form von Vetternwirtschaft letztendlich der Ausdruck dessen, was bei einer Ausstellung tatsächlich vor sich geht. Vom Begriff her kann etwas nur dann ein Extrem darstellen, wenn es eine Norm gibt, von der dieses Extrem in eine bestimmte Richtung abweicht. Extrem lange Haare sind ein Abweichen von der Norm „lange Haare“. Genauso ist eine ganz offensichtlich nicht objektive Bewertung nur dann möglich, wenn das ganze Bewertungssystem subjektiven Kriterien folgt bzw. geradezu voraussetzt. Wenn lediglich der Schein von Objektivität gewahrt wird, ist es eben nichts weiter als nur der Schein. Insofern ist dieses ganze Reklamieren von Objektivität lediglich als Versuch zu werten, sich selbst einzureden, dass man auf dem rechten Weg ist. Es ist ein kollektiver Selbstbetrug.
Bei Hunden, die als Zuchtvoraussetzung bestimmte Leistungen erfüllen müssen, ist das anders. Entweder sie erbringen die Leistung zufrieden stellend oder nicht. Die Formulierung „zufrieden stellend“ hat den Grund, dass es Leistungsprüfungen gibt, die nicht nach dem Prinzip alles oder nichts funktionieren. Dafür sind die rassetypischen Anforderungen zu unterschiedlich. Ich will den Richtern nicht insgesamt unterstellen, dass sie sich keine Mühe geben, ein Urteil zu finden. Aber selbst dann stellt sich ihnen das Problem, dass sie in einem System der Subjektivität gefangen sind, dem durch die Rassestandards zwar Grenzen gesetzt sind, aber diese Grenzen sind sehr weit gesteckt.
Die Richter verfügen mit ihren Urteilen über die Möglichkeit und damit auch über die Macht, die Zucht zu beeinflussen. Was immer auch Richter dazu veranlassen mag, diese Tätigkeit auszuüben – in diesem einen Punkt ist der Grund für alle derselbe: Sie wollen die Zucht beeinflussen, also Macht ausüben, auch wenn sie die Interpretation der Einflussnahme als Machtausübung nicht gern hören mögen. Damit tragen sie auch einen Teil der Verantwortung für die Entwicklung der jeweiligen Rasse.
Dieser Erkenntnis haben sich auch die Verbände nicht verschließen können. Beyersdorf (S. 72 f) hat ein Rundschreiben vom Juni 2001 mit dem Titel „Wir tragen die Verantwortung“ abgedruckt. Darin erinnern 6 europäische Verbände – darunter der VDH – die Richter daran, dass sie maßgeblich daran beteiligt sind, wie die Zucht von Rassehunden sich entwickelt. Abgesehen davon, dass diese Verbände sich genötigt sehen, ihre Richter überhaupt daran erinnern zu müssen, handelt es sich bei diesem Papier bei genauerer Lektüre um ein Armutszeugnis ohnegleichen, auch wenn Dr. Beyersdorf offenbar der Ansicht ist, es handele sich um einen lobenswerten Ausdruck der Sorgfalt gegenüber den Hunden. Es folgen einige Zitate aus diesem Papier.
„Sie (die Richter/innen) können sehr leicht dazu beitragen, dass ein Hund zur Plage wird, indem Sie Merkmale einer Übertypisierung dulden oder gar fördern, welche gesundheitliche Schäden oder Wesensmängel zur Folge haben können.“ Aha, nicht der Hund hat eine Plage, weil er nicht gesund ist sondern er wird zu einer. Mit Tierschutz hat das nur insofern zu tun, als kranke oder aggressive Hunde vermieden werden sollen, damit keine Menschen die Folgen zu tragen haben.
„Ihre Entscheidungen beeinflussen die Züchter, welche die Fortentwicklung und das Vorhandensein von bestimmten physischen Merkmalen bei ihren Zuchttieren anstreben, um den Anforderungen der einzelnen Rassestandards zu entsprechen. Anforderungen, die in manchen Fällen so sehr von einer normalen Hundeanatomie abweichen, dass sie vielleicht gelegentlich einen gewissen Grad an physischen Beschwerden und/oder Behinderungen verursachen. Oftmals können die hervorgerufenen Leiden gravierend sein, dann nämlich, wenn die Zucht-/Ausstellungsrichterinnen und –richter durch die einseitige Auslegung des Rassestandards dazu beitragen und sie somit Übertreibungen fördern, welche der Gesundheit und Funktionalität abträglich sein können.“ In manchen Fällen …vielleicht gelegentlich …einen gewissen Grad. Es ist kein Ansatz zu einer Überlegung zu erkennen, einen Rassestandard zu überprüfen oder gar zu verwerfen, wenn sogar schon die Anforderungen dieses Standards der Gesundheit der Hunde schaden. Aber das tun sie ja nur in manchen Fällen vielleicht gelegentlich zu einem gewissen Grad. Nur keinem wehtun, der wehtut, noch nicht einmal mit klaren Worten. Aber dann müssten die Verbände sich ja wohl in gewisser Weise selbst in Frage stellen. Richtig erkannt ist hier, dass es u. a. die geförderten Übertreibungen sind, welche die erblich bedingten Beschwerden bzw. Leiden bei Hunden verursachen. Auffallend finde ich hier auch, dass zunächst eine arg verharmlosende Darstellungsform gewählt wird – „In manchen Fällen …vielleicht gelegentlich …einen gewissen Grad“ -, die dann plötzlich doch „oftmals“ zu gravierenden Leiden führen können.
„In den letzten Jahren wurden in den Medien und in der Öffentlichkeit die der Gesundheit unserer Rassehunde abträglichen Merkmale immer wieder angesprochen und etliche Rassen wurden zum Objekt öffentlicher Kritik. Es ist daher … von allergrößter Bedeutung, dass Sie … einige Minuten Ihrer Zeit darauf verwenden dieses Schreiben zu lesen, um sich eingehend anhand der Beispiele … mit den Kritikpunkten auseinander zu setzen.“ So ist das also, weil man in der Öffentlichkeit nicht ganz so toll dasteht, soll etwas geändert werden, nicht etwa wegen der Hunde, denen es nicht so besonders gut geht, oder weil Halter möglicherweise plötzlich vor dem Problem stehen, Unsummen für die Behandlung von Erbkrankheiten ihrer Hunde aufbringen zu müssen.
„Es ist eine Tatsache, dass hochprämierte Hunde häufiger in der Zucht Verwendung finden als andere. Daher sollten Sie, als Zucht-/Ausstellungsrichterin und –richter, äußerst sorgfältig bei Ihrer Bewertung vorgehen und solche Hunde, welche die genannten, unerwünschten Merkmale aufweisen, die das Wohlbefinden der Hunde negativ beeinflussen, nicht auch noch mit höchsten Auszeichnungen prämieren.“ Hier wird nicht etwa der generelle Zuchteinsatz von Hunden mit ernsthaften Mängeln in Frage gestellt. Damit wird das Wohlbefinden der Hunde – im Extremfall ständige Schmerzen - auf eine Stufe gestellt mit einer unerwünschten, weil nicht standardgerechten Ohrenhaltung. Hunde mit diesen Fehlern sind zwar trotz einiger Mängel zur Zucht zugelassen, aber sie sollen dann wenigstens keine Champions werden. Und anstatt solchen Richtern wegen mangelnder Kompetenz mindestens den Ausschluss aus der Richterschaft anzukündigen, werden sie höflichst ersucht.
„Obwohl die Verbände mittels entsprechender Zuchtvorschriften bzw. –verbote zur Eindämmung genetischer Defektmerkmale wesentliche Vorkehrungen bereits getroffen haben, ist die Unterstützung dieser Vorgaben seitens der Richterschaft unentbehrlich.“ Diese Aufforderung ist verschwendet an Richter, die Hunde mit Deformationen nicht gut bewerten. Richtig ist doch, dass solche Vorkehrungen zu einem großen Teil nur deshalb getroffen werden müssen, weil es Richter gibt, die Hunde mit Deformationen prämieren. Ausgerechnet die dann aufzufordern, von ihrem Tun abzulassen, möchte ich mal als blauäugig bezeichnen, sofern die Aufforderung wenigstens ehrlich gemeint ist und nicht nur eine Alibifunktion erfüllt. In dieser Form eine Art des Richtens einzufordern ist überflüssig.
Wie nützlich das Rundschreiben ist, kann man derzeit bei den Whippets beobachten. Eine Rasse, die lange Jahre keine gesundheitlichen Probleme hatte, wird mehr oder weniger konsequent hingerichtet. Hunde ohne Übertreibungen haben immer weniger Aussicht auf Erfolge. Einem Hinweis im Internet zufolge hat ein Richter sich dahingehend geäußert, dass die Standardgröße ja nur ein Richtmaß sei. Es wurde dort bereits so kommentiert, dass ein Richtmaß deshalb so heißt, weil man sich danach richten muss. Wie bereits angemerkt, ist ein Standard für Leute, die mit Gebrauchshunden zu tun haben, sinnvoll, aber nicht notwendig, da sie als Bewertungskriterium die Praxis haben. Aber ausgerechnet aus den Reihen derer, die als Bewertungskriterium nur über das geschriebene Wort verfügen, die nach eigenen Aussagen in erster Linie dem Standard verpflichtet sind, kommt der Hinweis, dass man das aber nun auch nicht zu eng sehen darf, weil das ja sowieso nur ungefähr gilt und Papier geduldig ist. Ein wenig zu groß, was macht das schon? Ein wenig zu schwer, was macht das schon? Der Hals ein wenig zu lang, was macht das schon? Die Hinterhand ein wenig überwinkelt, was macht das schon? Die Brust ein wenig zu schmal, was macht das schon? Es ist die Summe von ein wenig, die entscheidend ist. Das Ergebnis von hier ein wenig und da ein wenig sind dann z. B. Bulldoggen mit viel zu großem Schädel und Zähnen zwischen den Lücken. Da weist der VDH die Richter ausdrücklich darauf hin, dass Übertreibungen eine nachgewiesene Ursache für vielfaches Hundeelend sind, und diese Menschen zeigen erwartungsgemäß durch Wort und Tat, dass es sie einen Dreck interessiert. Sie können sich nicht darauf hinausreden, dass sie es nicht gewusst haben, denn es wird ihnen seit Jahr und Tag gepredigt. Ich möchte allerdings noch einmal ausdrücklich darauf hinweisen, dass das nicht für alle Richter gilt.
Soviel zum Rundschreiben der 6 Verbände zur Verantwortung der Richter. Dass der VDH 2009 dazu übergegangen ist, die Shows offiziell nicht mehr als „Zuchtschauen“ sondern als „Ausstellungen“ zu bezeichnen, ist ein Hinweis darauf, wohin der Hase läuft.
Im Rahmen der Cruft’s 2012 wurden bei einigen Rassen direkt vor der Siegerehrung tierärztliche Untersuchungen vorgenommen und einige Siegerhunde von Amts wegen aus gesundheitlichen Gründen disqualifiziert. Womit den betreffenden Richtern quasi von Amts wegen bestätigt wurde, dass sie Tierquäler sind.
Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat ein Gutachten zur Qualzucht in Auftrag gegeben und im Januar 2000 vorgelegt, das so genannte Qualzuchtgutachten. In diesem Gutachten wird folgendes festgestellt:
„Der Begriff (Tier-)Zucht ist weder im Tierzucht- noch im Tierschutzgesetz definiert. Er wird mit unterschiedlichem Bedeutungsgehalt verwendet. Unter Züchten im Sinne von § 11b versteht man die geplante Verpaarung von Tieren. Dabei kann es vorsätzlich oder fahrlässig zu einem Verstoß gegen § 11b kommen. Züchter sind natürliche Personen (Halter und/oder Besitzer der Zuchttiere). Sie tragen Verantwortung für das Zuchtresultat.“ Und jetzt kommt das in diesem Zusammenhang Entscheidende: „Verbände, Vereine etc. sind im Sinne des § 11b mitverantwortlich, sofern sie Zuchtziele festlegen und Zuchttiere bewerten.“
§11b des Tierschutzgesetzes beinhaltet das Verbot von Qualzucht. Wenn diese Passage des Gutachtens einen Sinn haben soll, dann doch wohl nur den, dass Richter als Bewerter von Zuchttieren im Extremfall mit Konsequenzen rechnen müssten. Was soll der Hinweis auf Verantwortung sonst bedeuten, wenn einem Verstoß gegen eine Norm keine Konsequenz folgt? Was soll das Gerede des VDH und den anderen von Verantwortung, wenn niemand zur Verantwortung gezogen wird? In der Realität verhält es sich aber so:
„Festgehalten werden muss, dass diese Gutachtensammlung im Hinblick auf Zuchtverbote keinen bindenden Charakter hat. Daraus folgt, dass ohne einen konkreten Maßnahmenkatalog, der es den Behörden ermöglicht, Qualzuchten erfolgreich zu unterbinden, weiterhin Hunde mit Erbkrankheiten gezüchtet werden können.“ (Steinfeldt S. 101)
Wenn also schon den einzelnen Behörden und daraus folgend der Justiz keine konkreten Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, wie will man dann erwarten, dass sich über einen Appell an die Richter etwas an der Situation ändert.

Die Aussteller
Aussteller sind von ihrer Motivation und Ambition her nicht über einen Kamm zu scheren. Manche erscheinen nur bei Ausstellungen, damit der vorgestellte Hund die erforderlichen Bewertungen für eine Zuchtzulassung erhält. Von diesen Ausstellern soll hier nicht die Rede sein, weil sie die Zucht nicht im Sinne der Ausstellungen beeinflussen.
Dann gibt es noch die Aussteller, vor allem Neulinge, die Ausstellungen dazu nutzen, andere Halter und Hunde ihrer Rasse kennen zu lernen.
Und es gibt die Aussteller, die mit ihren Hunden die Zucht beeinflussen. Diese sind gemeint, wenn im Folgenden von Ausstellern die Rede ist.
Was erwarten Aussteller im Ergebnis von einer Ausstellung? Egal, was auch immer sonst behauptet wird: Aussteller erwarten die quasi amtliche Feststellung, dass der schönste Hund sich in ihrem Besitz befindet. Und das am liebsten nicht nur an einem Tag, sondern so oft wie möglich. Für eine reine Feststellung der Zuchttauglichkeit würde es ausreichen, die notwendigen Ausstellungen zu besuchen. Insbesondere erfahrene Züchter sollten in der Lage sein, zu beurteilen, ob ein Hund zuchttauglich ist oder nicht. Sonst sollten sie das Züchten besser unterlassen. Der Grund, der Züchter und Halter immer und immer wieder zu Ausstellungen treibt, ist der erwartete Erfolg – so viele Titel, CAC, BIS wie möglich.
Um diese Erfolge zu erlangen, muss der Aussteller einiges berücksichtigen. So soll er z.B. angemessen gekleidet sein. Frau Peper (S. 70 vier Pudel mit Bild) empfiehlt so auch bei Zuchtgruppen eine einheitliche, zur Zuchtgruppe passende Kleidung. Beim Betrachten des Bildes habe ich mich gefragt, ob es wohl angemessen wäre, wenn dekorativ geschorene Pudel von einer ebenso dekorativ geschorenen Gruppe von Punks vorgeführt würde – mit Krawatte selbstverständlich. Wahrscheinlich nicht. Was die Qualität eines Hundes und seine Eignung zur Zucht mit der Kleidung des Ausstellers zu tun hat? Ich habe keine Ahnung.

Eine Sonderform des Ausstellers ist der professionelle Vorführer, den es hierzulande noch nicht gibt. Dass es überhaupt Menschen gibt, welche damit Geld verdienen, dass sie anderer Leute Hunde vorführen, zeigt eigentlich schon zur Genüge, dass es diesen anderen Leuten nicht um ein Freizeitvergnügen geht, sondern um die beste für Geld erhältliche Bewertung ihres Hundes – und nicht um die objektive Beurteilung.
Lt. Frau Peper (S. 102) sollen bereits Junior-Handler die wichtigsten Forderungen des Rassestandards kennen. Die weitaus meisten erwachsenen Aussteller kennen den Standard gar nicht oder nur sehr ungenau, gar nicht zu reden davon, dass sie eine Vorstellung von der Interpretation des Standards haben. Die Entwicklung der Zucht interessiert sie auch nicht. Sie wollen bestätigt haben, dass ihr Hund der Schönste ist und basta. Beispielhaft dafür ist eine Bemerkung, die ich im Internet zu Bildern von Gewinnern der Crufts 2006 gefunden habe: „Ich habe zwei Sekunden lang gedacht, ich sehe meinen Hund.“ Und alle Welt soll wissen: „Ich habe einen Hund, der genau so aussieht ist wie der Allerschönste der Schönen.“ Auch, wenn es eigentlich niemanden weiter interessiert.
Fr. Peper (S. 14) ermuntert Aussteller mit den Worten: „Dafür, dass ein Hund mit kleinen Schwächen trotzdem gut bewertet wird, kann man etwas tun.“ Das ist doch mal ein sehr erhellendes „trotzdem“. Es geht nicht um eine objektive, sondern um eine gute Bewertung. Die Frage ist dabei unter anderem, was sind kleine Schwächen, und wo sind die Grenzen zu großen Schwächen. Geht es nur um eine absolut korrekte Ohrenhaltung? Ist es ein Wirbel im Haarkleid? Handelt es sich um mangelnde Brusttiefe, die nicht genug Platz für die Lunge bietet, um eine Leistung ausdauernd zu erbringen? Oder handelt es sich um eine stärkere Winkelung der Hinterhand, die zwar deutlicher erkennbar ist, aber dem Hund nicht mehr die Möglichkeit zur optimalen Bewegung bietet? Auf S. 15 dann: „Der Hund muss im Ring sowohl durch seine äußere Erscheinung als auch durch sein Auftreten ein möglichst positives Bild bieten.“ Positiv für wen? Kleine Schwächen und ein positives Bild sind auch subjektive Kriterien, die unterschiedlich bewertet werden können und deshalb nichts mit einer objektiven Bewertung zu tun haben.
Konsequent ist daher die Schlussfolgerung daraus: Aussteller sollen lernen, Fehler bei ihrem Hund durch geschicktes Vorführen zu verstecken, damit die Bewertung besser wird. Man muss es sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Auf der einen Seite soll dem Anspruch nach der Hund gewinnen, der dem Standard am besten entspricht, auf der anderen Seite wird empfohlen, den Hund so vorzubereiten und vorzuführen, dass seine Abweichungen vom Standard nicht auffallen. Mit diesen Äußerungen haben die Verfechter dieser Ansicht noch nicht mal ein Problem, sondern gehen ganz offensiv damit um und kommen sich noch besonders pfiffig dabei vor. Frau Peper (S. 79) geht sogar so weit, zu empfehlen, einen Hund nicht am Ring vorzubereiten, damit der Richter nicht zufällig vor dem Vorführen einen anatomischen(!) Mangel feststellen kann, der im Ring versteckt werden soll. Unglaublich. Deutlicher kann man kaum noch aussprechen, dass es sich bei einer Hundeausstellung keineswegs um eine zuchtfördernde Maßnahme handelt, sondern um reine Schau. Und so ein Rat kommt dann von einer Frau, die Hunde züchtet und eine Zulassung als Richterin hat. Auch nicht schlecht war der Tipp in einem Internetforum, bei falscher Ohrenhaltung vor der Ausstellung vorgekautes Lakritz in die Ohren zu kleben, was man dann ein paar Minuten vor der Vorführung mit Wasser wieder entfernen kann. Auf den Gedanken muss man auch erstmal kommen. Wie weit entfernt ist dann der Schritt zu kleinen operativen Eingriffen?
Da ich Ausstellungen früher eher als notwendiges Übel betrachtet habe, bei denen man aber auch etwas über die Hunde lernen kann, war ich blauäugig genug, der Vorstellung zu glauben, dass es bei einer Ausstellung darum ginge, die Qualitäten eine Hundes zu erkennen und zu zeigen. Fehler erkennen, so heißt es, kann jeder nach einiger Zeit. Aber um Qualitäten zu erkennen, muss man schon über Erfahrung und ein gutes Auge verfügen. Ich fand z. B. einleuchtend, dass ein Richter das Gangwerk eines Hundes nicht korrekt bewerten kann, wenn der Hund im falschen Tempo vorgeführt wird. Deswegen war ich wirklich überrascht, als mir zum ersten Mal diese Ansicht begegnete, dass es im Grunde genommen vielfach um die Qualitäten gar nicht geht, sondern um das Verstecken von Fehlern und das Vortäuschen von Qualitäten. Der Sieg ist eben alles, und dafür sind viele Mittel recht.
Es ist übrigens auch eine ordentliche Portion Heuchelei dabei, wenn Frau Peper einerseits sportliche Fairness fordert inklusive der Gratulation an den, dessen Hund gewonnen hat und den man gerade vorher noch übers Ohr hauen wollte. Sie empfiehlt den Einsatz unlauterer Mittel, damit man selbst die Gratulation von dem entgegen nehmen kann, der möglicherweise eben diese unlauteren Mittel weniger geschickt genutzt hat. Nur werden diese Leute natürlich nie zugeben, dass ihre Mittel alles andere als korrekt sind. Sie wenden sie schließlich an. Da werden die absurdesten Begründungen dafür hervorgeholt, warum dieses Handeln absolut richtig und notwendig ist. Im Internet waren dafür einige Beispiele zu finden.
Z. B. „Ich denke, in der Liga, in der solche Züchter spielen, geht es doch wirklich um Nuancen, bei denen ein gutes Handling eben über Platz 1 oder 2 entscheiden kann. Außerdem möchte ich mal einen Aussteller sehen, der seinen Hund nicht gerne von seiner “Schokoladenseite” zeigen würde … versuchen wir nicht alle jeden Tag, unsere Stärken ein wenig hervorzuheben und unsere Schwächen zu kaschieren? Wenn ich eine mündliche Prüfung habe, dann weise ich den Prüfer auch nicht gleich darauf hin, dass ich Kapitel 5 nicht vorbereitet habe, oder? Aber betrüge ich deswegen? Und ich bin sicher, dass ich meine Note deswegen trotzdem nicht geschenkt bekomme, denn der Prüfer durchschaut mich doch sowieso, aber ich muss es ihm ja nicht unbedingt leicht machen.“ Man muss sich vielleicht auch mal entscheiden. Je nachdem, wie es gerade gebraucht wird, wird eine Ausstellung als objektive Zuchtschau oder als Misswahl hingestellt. Für eine Zuchtschau, also für eine Entscheidung über die Zuchtqualität eines Hundes, kann es keine Schokoladenseite geben. Aber das findet sich im Internet öfter: Die Behauptung, dass es sich bei einer Ausstellung um eine Zuchtschau handelt, und dann folgen lang und breit Tipps und Tricks, wie man den Hund am besten vorbereitet, damit eine gute Bewertung trotz Mängeln bei einer Ausstellung herausspringt. Angesichts der unbestreitbaren Tatsache, dass ein hoch prämierter Hund öfter zur Zucht eingesetzt wird als andere, zu fragen, ob es sich bei einer Vertuschung von Fehlern um Betrug handelt, zeigt einen bedauerlichen Mangel an Unrechtsbewusstsein. Wer etwas vortäuscht, um etwas zu erreichen, der betrügt selbstverständlich oder versucht es zumindest. Ein aktives Vortäuschen ist immer noch etwas anderes als die Unterlassung einer Mitteilung. Wenn schon der Vergleich mit einer Prüfung sein soll, dann kann man ihn auch konsequent führen. Wenn ich bei einer schriftlichen Prüfung von meinem Nachbarn abgeschrieben habe, mache ich den Prüfer auch nicht darauf aufmerksam, aber ich habe eine Täuschung vorgenommen, die geahndet wird, wenn sie auffällt. Davon abgesehen, wird sicher nicht bei jeder mündlichen Prüfung Kapitel 5 abgefragt, wenn es nicht der einzige Prüfungsgegenstand ist. Also wird es in einem solchen Fall dem Prüfer auch nicht auffallen. Bei bestandener Prüfung hat man dann schlichtweg Glück gehabt. Bei der Zuchtzulassung oder gar Zuchtempfehlung geht es aber nicht um Glück oder Pech, sondern um zukünftige Hunde, die sich nicht dagegen wehren können, wenn ihre Eltern diese Zulassung möglicherweise zu Unrecht erhalten haben. Glück ist nicht vererbbar. Hinter dieser Äußerung steckt nichts anderes als die Ansicht, dass man nichts Schlimmes getan hat, solange man nicht erwischt wird.
Es ist sicher richtig, dass es häufig Nuancen sind, die über eine Platzierung entscheiden. Nur kann man daran, dass es sich um Nuancen handelt, erst einmal nicht erkennen, ob es sich bei diesen Nuancen nicht um Veränderungen handelt, die sich in Richtung Übertreibungen entwickeln. Geringfügige Veränderungen als solche können ebenso zu schädlichen Übertreibungen führen wie zu Verbesserungen von Leistungsfähigkeit und/oder Wohlbefinden. Möglicherweise führen Nuancen dazu, dass ein Hund schöner wird und keinerlei Einbußen für den Hund damit einhergehen. Möglicherweise führen Nuancen dazu, dass ein Hund unansehnlicher wird und keinerlei Einbußen für den Hund damit einhergehen. Möglicherweise führen sie dazu, dass ein Hund schöner und leistungsfähiger wird. Möglicherweise führen sie auch dazu, dass ein Hund unansehnlicher und leistungsschwächer wird. Jede Kombination ist denkbar. Deswegen ist es durchaus kein Argument für ein gekonntes Handling, dass Nuancen über die Platzierung entscheiden. Denn die Tatsache, dass Hunde sich in Nuancen unterscheiden, sagt gar nichts über die Qualität der Unterschiede aus.
Oder: „Es gibt doch sowieso keinen perfekten Hund.“ Das ist sicher richtig, aber das macht es keineswegs zu einem Argument, Perfektion vorzutäuschen. Willis (S. 110) schreibt dazu: „In jeder Tierart gibt es Defekte; auch beim Menschen. Beim Hund können wir zumindest einige dieser Fehler bewerten und feststellen, Schritte einleiten, sie zu vermeiden. Das ist ein Muss! Ebenso ein Muss ist es, dass man Fehler immer in der richtigen Perspektive, im Gesamtzusammenhang sehen muss. Es ist falsch, Fehler zu ignorieren oder sie als unbedeutend darzustellen, wenn dies offensichtlich unwahr ist. Falsch ist, über Fehler geradezu paranoid zu werden, als sei das Vermeiden von Fehlern das Hauptziel der Hundezucht. Die wichtigste Aufgabe ist vielmehr, erstklassige, gesunde Hunde zu züchten.“
Wie sollen Züchter das erfüllen, wenn bei angeblichen Spitzenhunden Fehler versteckt werden? Wenn sie Fehler bei ihrer Hündin ignorieren und dazu einen Rüden wählen, dessen Fehler vertuscht werden? Auf diese Weise summieren sich Fehler, die sich letztlich in zunehmenden Übertreibungen niederschlagen. Dass aber Übertreibungen für die Hunde nichts Gutes bedeuten, ist eine Binsenweisheit und geht in vielen Bereichen über in Qualzucht. In diesem Zusammenhang ist mir ein Beispiel aus meiner Tätigkeit als Ringordner eingefallen. Eine Richterin hat einem Aussteller erklärt, warum sie seinen Barsoi mit „Gut“ bewertet hat, also mit einer Bewertung, die keine Zuchtzulassung erlaubt. Der Hund hatte sehr instabile Sprunggelenke. Wenn es nun dem Aussteller gelänge, das vor anderen Richtern zu verstecken, könnte der Hund zur Zucht zugelassen werden. Mir war damals durch den Kopf gegangen, dass eine Zuchtzulassung aufgrund einer Leistungsprüfung dazu führen würde, dass der Hund bestimmte Leistungen wegen dieses Mangels gar nicht erbringen könnte. Dann könnte er diesen Mangel auch nicht vererben. Eigentlich ganz einfach.
Schon im Prinzip ist dieses Verstecken von Fehlern ein Unsinn. Wie Aussteller immer wieder betonen, wird ein guter Richter diese Fehler schon feststellen, wenn er den Hund genauer beurteilt. Warum muss man dann Fehler aber erst verstecken, wenn sie sowieso auffallen? Wenn sie dem Richter auffallen, muss er sich dann nicht auf den Arm genommen fühlen? Was ist in diesem Fall mit dem allseits geforderten Respekt vor Richtern? Und wenn sie dem Richter nicht auffallen, hat er dann keine Ahnung, einen schlechten Tag oder sonst was? Jedenfalls kann man sich auf das Urteil weder etwas einbilden noch gar als Richtlinie für die Zucht mit diesem Hund in Erwägung ziehen. Und noch verrückter wird es ja, wenn jemand gar nicht weiß, dass es sich bei einer anatomischen Abnormität um einen Fehler handelt, und voller Stolz seinen Hund präsentiert. Irgendwann muss wohl jemand seinen Deutschen Schäferhund so hingestellt haben, dass seine abfallende Rückenlinie auffiel. Und plötzlich war der Fehler kein Fehler mehr, sondern der absolute Hit. Eine Horrorvorstellung: Ein ungeschickter Aussteller trifft auf einen inkompetenten Richter und die Katastrophe ist da.
Besonders verwunderlich ist die Tatsache, dass diese Sorte Aussteller offensichtlich gar nicht merkt, was sie da eigentlich treibt. Wenn nicht zu unterscheiden ist, ob ein Hund sein Championat einer geschickten Vorführung oder seiner Qualität zu verdanken hat, stellt sich doch eigentlich automatisch die Frage, was eine Beurteilung oder gar ein Titel wert sind. Auch das Argument, dass man nicht alle Richter täuschen kann, zieht nicht, weil es ausreicht, den einen Richter zu täuschen, der den Titel des Europasiegers vergibt. Und was schon gar nicht mehr nachvollziehbar ist, ist die Freude über einen solcherart errungenen Titel, es sei denn, man berauscht sich an seiner eigenen Pfiffigkeit.
Es ist schlicht und ergreifend Rosstäuscherei, die Züchtern unter anderem auch dazu dienen kann, ihre Hunde zu verkaufen. Oder man kann als Halter Decktaxen kassieren.
Erfahrene Aussteller melden ihre Hunde in der Regel nur bei Richtern, die noch unbekannt sind, deren Vorlieben also nicht bekannt sind, oder bei Richtern, von denen sie wissen, dass ihre Hunde Siegchancen haben. Es ist ein weiterer Hinweis darauf, dass es keineswegs darum geht, eine unvoreingenommene Sichtweise auf ihre Hunde zur Kenntnis zu nehmen, um eventuell die rosarote Brille bezüglich der eigenen Hunde abzusetzen, sondern es zählt nur die Bewertung bzw. der Sieg. Wenn es um die Beurteilung eines Hundes durch einen bestimmten Richter ginge, würde es sicherlich ausreichen, diesem Richter den Hund einmal vorzuführen, um seine Ansicht über den Hund zu erfahren. Aber so sieht die Realität nicht aus. Bei einem Richter zu melden, von dem bekannt ist, dass er eine Sorte Hunde vorzieht, die man selbst nicht hat, gilt als verschleudertes Geld und nicht als Möglichkeit zu erfahren, ob es einen sachlichen Grund gibt, warum dieser Richter andere Hunde vorzieht.
Die Diskussion um das Vertuschen von Fehlern offenbart den Widerspruch zwischen dem Anspruch auf Hochzucht und Schönheitswettbewerben. Eine Hochzucht muss offensiv mit Fehlern umgehen, um sinnvoll mit ihnen umgehen zu können. Schönheitswettbewerbe bieten offensichtlich die Möglichkeit, das Gegenteil zu fördern.
Was Aussteller auch besonders gerne tun: Sie werfen den Richtern vor, nicht korrekt gerichtet zu haben, insbesondere dann, wenn nicht die eigenen Hunde oder wenigstens Hunde von Bekannten gewonnen haben. Jeder halbwegs erfahrene Aussteller weiß, dass Richter nach ihrem Geschmack richten. Welch ein Unsinn, Hunde erst zu einer Show anzumelden und sich der Konkurrenz zu stellen, aber hinterher zu meckern, wenn es nicht so geklappt hat.
Es wird immer wieder betont, dass es nichts bedeutet, bei einer Ausstellung nicht zu gewinnen. Das ist sicher richtig. Aber wenn das nichts bedeutet, was bedeutet dann der heiß begehrte Gewinn?

Einfluss auf Körper und Wesen
Der Zweck der Hundeausstellungen liegt nicht in der Überprüfung der Gesundheit der Hunde und ihrer daraus folgenden Zuchttauglichkeit, sondern in der Bewertung ihrer Schönheit. Wenn es ausschließlich darum ginge, zu überprüfen, ob beispielsweise das Gebiss ernsthafte Deformationen zeigt, die eine Zuchttauglichkeit des betreffenden Hundes zumindest in Frage stellen, würde es ausreichen, das festzustellen. Eine Befürwortung oder Ablehnung der Zuchttauglichkeit reicht dazu völlig aus. Die Festlegung einer Rangfolge nach Schönheitskriterien wäre zu diesem Zweck dagegen absolut überflüssig.
Auf der Rückseite des bereits mehrfach erwähnten Buches von Frau Peper ist vom Verlag als erster Satz des Klappentextes zu lesen: „Hundeausstellungen sind für jede erfolgreiche Hundezucht unentbehrlich.“ Das kommt doch sehr auf den erstrebten Erfolg an. Wer gute Hütehunde braucht, wird kompromisslos auf gute Hüteleistung und Vitalität selektieren müssen, ohne Rücksicht auf glamouröse Extras. Wenn dagegen der Erfolg bei Hundeausstellungen den gesuchten Erfolg darstellt, dann sind Hundeausstellungen in der Tat unentbehrlich. Der Sinn von Hundeausstellungen wird so mit sich selbst begründet. Und bei allem, was Selbstzweck ist, gibt es keinen objektiven Maßstab, keine Grenze und schließlich auch kein Halten mehr. Da der Erfolg bei einer Hundeausstellung die Schönheit eines Hundes ist, gibt es demnach auch für die Herstellung und Bewertung dieser Schönheit keine Grenze. (Man könnte hier sicherlich lang und breit anfangen, über Ästhetik zu diskutieren. Soviel sei nur gesagt, dass über Geschmack sehr wohl zu streiten ist.) Aus dieser Grenzenlosigkeit resultieren u. a. auch bei Hunden, für deren Rassen Leistungsprüfungen vorhanden sind, immer größere Differenzen zwischen Show- und Leistungshunden. Die Konsequenz daraus ist unsinnigerweise - aber andererseits durchaus folgerichtig -, dass Gebrauchshunde in vielen Fällen gar nicht in der Lage sind, ein Schönheitschampionat zu erringen. Typisch für dieses Situation war die Äußerung einer Richterin vor einigen Jahren beim Stechen um das CAC zwischen zwei Hündinnen der Offenen Klasse und der Gebrauchshundklasse: „Für die Gebrauchshundklasse handelt es sich um eine sehr schöne Hündin.“ Das CAC wurde an die Hündin der Offenen Klasse vergeben. Einerseits zeigt diese Bemerkung das Erstaunen darüber, dass ein Hund mit nachgewiesener Leistungsfähigkeit doch tatsächlich auch optisch was hermachen kann. Andererseits müsste es doch eigentlich sehr seltsam anmuten, dass ein Hund, der seine Befähigung zu einer rassegerechten Arbeit bereits unter Beweis gestellt hat, ausgerechnet bei einer ZUCHTschau für weniger zuchttauglich gehalten wird als ein Hund, der diesen Beweis erst noch erbringen müsste. Wenn es denn bei einer Ausstellung überhaupt um das Kriterium der Zuchttauglichkeit unter dem Aspekt der Gebrauchsfähigkeit ginge.
Die Diskrepanz, die sich in der Anatomie zwischen Show- und Gebrauchshunden auftut, äußert sich in einer zunehmenden Unfähigkeit von Schönheitsgrößen zu einer rassetypischen Bewegung. Es wird behauptet, dass ein Hund, der in einer Gangart korrekt läuft, in allen Gangarten korrekt läuft. Eine Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Bewegung der Hunde frei neben der Leine vorgeführt wird, und nicht, wie man es auch häufig sehen kann, dass dem Hund der Kopf mit der Leine so hochgezogen wird, dass er notgedrungen anfängt zu steppen, was automatisch zu unterschiedlicher Schrittlänge führt. Ansonsten ist das keineswegs zwingend. Dafür lassen sich unter vielen anderen folgende Beispiele finden. Zu einem Training auf dem Gelände eines Rennvereins hatte sich ein erfolgreicher Züchter von Showgreyhounds verirrt. Es waren also Hunde, denen bei Ausstellungen regelmäßig ein korrektes Gangwerk bescheinigt wird. Die Hunde rannten hinter dem Lockmittel her, aber es war ein trauriges Bild zu sehen, wie die Hunde zwar wollten, aber nicht so konnten, wie sie wollten. Anstatt eines raumgreifenden Galopps sah es eher so aus, als wollten sie sich bei jedem Sprung mit den Hinterläufen unter dem Brustkorb kratzen.
Ein entgegen gesetztes Beispiel: Ein international hoch geachteter Richter empfahl einem Aussteller, seine Whippethündin zu trainieren, weil sie sich ja gar nicht bewegen könnte und keinen Schub aus der Hinterhand entwickelte. Ausgerechnet diese Hündin gehörte zu den besten Startern und erfolgreichsten Rennern. Wie soll das ohne massiven Schub aus der Hinterhand wohl funktionieren? Ganz offensichtlich war entweder der Richter nicht in der Lage, das Gangwerk korrekt zu interpretieren, oder die Hündin wurde so vorgeführt, dass ihr Schub aus der Hinterhand nicht zu bemerken war. (Es ist nicht nur möglich, einen Hund so vorzuführen, dass seine Mängel versteckt werden, sondern auch das Gegenteil ist machbar.) Beides ist nicht dazu geeignet, das Urteil als maßgeblich zu betrachten. Solche Beispiele lassen sich öfter finden und beweisen, dass es eben nicht zwingend ist, dass ein korrektes Gangwerk in einer Gangart ein Indiz für ein korrektes Gangwerk in allen Gangarten ist und umgekehrt. Das Problem entsteht mit der Definition des Begriffs „korrekt“.
Im Internet gab es eine Diskussion, ob Hunderennen grundsätzlich das Gangwerk von Windhunden verdirbt. Ganz grundsätzlich kann es nicht sein, dass ein Hund, der eine rassegerechte Arbeit erfolgreich absolviert, sich dadurch das Gangwerk ruiniert. Wie sollte er denn dann diese Arbeit leisten? Diese Diskussion zeigt, wie weit Aussteller sich versteigen können, wenn es darum geht, Hunde unabhängig von Shows zu beurteilen. Bei Überbeanspruchung kann selbstverständlich das Gangwerk wie auch das ganze Gebäude, die Sehnen, die Bänder und die Muskulatur Schaden nehmen, aber das war nicht der Ausgangspunkt der Diskussion, sondern die Behauptung, dass Arbeit schändet, um es einmal etwas überspitzt zu formulieren. Korrekterweise ist der Begriff „korrekt“ im Zusammenhang mit dem Gangwerk nur durch die Antwort auf die Frage zu beantworten: Versetzt das Gangwerk einen Hund in die Lage, eine rassegerechte Arbeit erfolgreich durchzuführen? Am ehesten ist die Antwort zu finden, indem die Hunde eine Arbeit verrichten. Wenn dadurch die Frage positiv oder negativ beantwortet ist, muss kein Richter dieser Welt das noch bestätigen oder abstreiten. Da eine Arbeit aber nur dann erfolgreich durchzuführen ist, wenn der gesamte Körperbau in sich stimmt, ist es im Prinzip unsinnig, das Gangwerk isoliert zu betrachten. Es ist deshalb grundsätzlich nicht möglich, allein aus dem Gangwerk eines Hundes im Ausstellungsring irgendwelche Schlüsse für seine Funktion zu ziehen. Das gilt nicht nur für das Gangwerk, sondern auch für eine Reihe anderer Merkmale. Die Definition für ein korrektes Gangwerk bei Shows geht zudem von der falschen Voraussetzung aus, dass ein Gangwerk sowohl von vorne als auch von hinten dadurch gekennzeichnet sein muss, dass die Pfoten parallel aufgesetzt werden müssen. Das ist vielleicht optisch eindrucksvoller als ein pfotenenges Gangwerk, bei dem der Hund die Pfoten mittig unter dem Körper aufsetzt. Aber alle wild lebenden Kaniden laufen so, weil es ökonomischer ist. Sie sparen Kraft dabei, verschwenden also weniger Energie, die sie an anderer Stelle notwendig brauchen. Wenn es sich aber in der Natur bei den nächsten Verwandten als optimal erwiesen hat, müsste es auch im Ausstellungsring als korrekt bewertet werden, wenn es um die Funktion und nicht um das Aussehen ginge. Das Gegenteil ist der Fall.
Es passt in dieses Bild, dass erfolgreiche Ausstellungshunde möglichst keine deutlich definierte Muskulatur zeigen sollen und sich auch ansonsten in guter Ausstellungsverfassung zeigen sollen. Gute Ausstellungsverfassung bedeutet auch, dass z. B. bei Kurzhaarrassen die Rippen nicht zu sehen sein sollen, weil beides die Flüssigkeit der Linien stört. Sie müssen also über ein sichtbares Maß an Fettreserven verfügen. Richtig ist wieder einmal das Gegenteil. „Hunde müssen mager sein, damit sie laufen können.“ (J. F. Cooper, Lederstrumpf) Offenbar handelt es sich hierbei um ein Wissen, das im Laufe der vergangenen 200 Jahre für viele Leute verloren gegangen ist. Hunde sind nun mal Lauftiere und brauchen eine dementsprechende körperliche Verfassung und Betätigung. Das gilt z. B. auch für Molosser. Auf sehr alten Abbildungen ist deutlich zu sehen, dass auch diese Hunde über so wenig Fettpolster verfügten, dass ihre Rippen zu erkennen waren. Ich kann mich an die Abbildung eines assyrischen oder babylonischen Reliefs erinnern, auf dem solche Hunde – offensichtlich nicht so genannte Kampfhunde sondern echte – mit viel Liebe für gerade dieses Detail abgebildet waren.
Im Extremfall führt die Überbewertung der Ausstellungen sogar dazu, dass Hunde prinzipiell nicht von der Leine gelassen werden, weil es sich ja schließlich um Showdogs handelt. Die Besitzerin eines Afghanischen Windhundes berichtete, dass der Züchter ihres Hundes sich darüber aufgeregt hat, als sie ihm erzählte, dass ihr Hund an Coursings (eine Simulation der Hetzjagd über mehrere hundert Meter, bei der auf freiem Gelände ein Parcours gelegt wird, auf dem die Hunde einem künstlichen Lockmittel hinterher jagen) teilnahm, aber nicht etwa, weil dabei ein gewisses Verletzungsrisiko nicht auszuschließen ist, sondern weil das Haar dann durcheinander gerät. Zwei Whippetzüchter erzählten mir von einer Ausstellung in Skandinavien, bei der sie eine amerikanische Ausstellerin kennen lernten und mir ihr spazieren gingen. Bei diesem Spaziergang ließen sie ihre Hunde frei laufen, was die Amerikanerin als Anlass nahm, auch ihren Hund frei laufen zu lassen. Leider kam ihr Hund nach wenigen Schritten humpelnd zurück, weil er offensichtlich das Laufen ohne Leine nicht kannte und deshalb nicht in der Lage war, sich koordiniert zu bewegen. In unserer Nachbarschaft gibt es zwei sehr schöne Shelties, die nur nach draußen dürfen, wenn sie mal müssen. Dabei ist schon das Betreten von Rasen tabu. Das Fell ist ja so empfindlich.
Es lässt sich anhand der mehrfach erwähnten Formel „Die Form folgt der Funktion“ belegen, wie widersinnig es ist, die Form unabhängig von der Funktion zu betrachten. Wenn die Funktion bzw. eine angemessene Ersatzarbeit nicht mehr das angestrebte Zuchtziel ist sondern die Form, kann die Form dieser Funktion andererseits gar nicht entsprechen. Es ist absolut unmöglich. Übrig bleibt eine mehr oder weniger dekorative Verpackung mit der Aufschrift „Arbeitshund“. Und die Aussteller führen damit ihre eigene Ideologie ad absurdum.
Eine andere üble Konsequenz von Übertypisierung kann dazu führen, dass Hunde verschiedener Rassen nicht in der Lage sind, mimisch oder über unterschiedliche Ohrenhaltung miteinander zu kommunizieren. „Wollhaare bzw. Lockenhaare können nicht gesträubt werden, der Rhodesian Ridgeback hat eine >>Dauerbürste<<, Rassen mit einer >>Augengardine<< können die vielen Signale im Augenbereich nicht sichtbar machen, und kupierte Schwänze beschneiden heute (1992, Anmerkung von mir) immer noch (beschämenderweise legal) die optischen Ausdrucksmöglichkeiten vieler Rassen.“ Feddersen-Petersen (S. 39) Das kann zu Missverständnissen führen, die im Extremfall sogar in Beißereien ausarten können, nur weil ein Hund nicht in der Lage ist, beim anderen eine Drohmimik zu erkennen und deshalb nicht angemessen darauf reagieren kann.
Da es sich also bei Ausstellungen in erster Linie nicht um eine Veranstaltung handelt, bei der die Hunde einer Überprüfung zusätzlich zu ihrer Arbeitsfähigkeit und Erbgesundheit unterzogen werden, sondern um einen auf sich selbst bezogenen Wettbewerb in Sachen Schönheit und rein äußerlicher Unterschiede, stehen Züchter vor dem Problem, wie sie es schaffen, dass ihre Hunde sich von anderen abheben – und zwar ausschließlich in dieser Hinsicht. Übertreibungen sind die logische Konsequenz.
Genau in diesem Selbstzweck liegt einer der wesentlichen Gründe, dass Hundeausstellungen zwangsläufig und unausweichlich eine der Ursachen dafür sind, dass jede Rasse oder Linie innerhalb einer Rasse, deren Zucht überwiegend durch Shows beeinflusst wird, über kurz oder lang unter dem Ausbruch von Erbdefekten zu leiden hat.
Genmutationen sind sehr hilfreich bei der Zucht von Hunden, die sich von anderen unterscheiden. Dabei ist es deshalb auch höchst gleichgültig, wenn eine Mutation zu einer Deformation führt, solange sie nur Unterschiede hervorbringt. Aber Mutationen kommen nicht so häufig vor und sind vor allen Dingen nicht vorhersehbar. Was aber sehr stark vorhersehbar ist, ist das Ergebnis aus einer Verpaarung von verwandten Hunden. Die Regel dürfte daher sein, dass Inzucht in unterschiedlicher Intensität betrieben wird.
Inzucht erzeugt zwar keine Krankheiten, sondern bringt nur ans Tageslicht, dass die Eltern von kranken Tieren mindestens Träger der Anlage zu einer ererbten Erkrankung sind. Für die erkrankten Tiere ist dieser Unterschied allerdings ohne Belang. Da es, wie bereits weiter oben von Willis (S. 110 ) zitiert, keine Tierart ohne Defekte gibt, und da diese Defekte häufig rezessiv vererbt werden, ist die Wahrscheinlichkeit von Erbdefekten umso größer, je näher die Tiere verwandt sind, weil dadurch die Wahrscheinlichkeit zunimmt, dass ein Tier an einem Genort das Defektgen eines einzelnen Vorfahren doppelt trägt. Hinzu kommt bei Inzucht über mehrere Generationen das Auftauchen von Inzuchtdepression mit den Folgen mangelnder Fruchtbarkeit, geringer Vitalität usw. Durch Inzucht mit Trägern von Defektgenen werden Gene erhalten, die in der Natur wegselektiert würden.
Ganz ohne Inzucht ist keine Zucht von Rassetieren möglich, zumindest nicht die Entstehung einer Rasse. Die englischen Vollblutpferde gehen beispielsweise komplett auf drei aus dem Orient importierte Hengste zurück, über 90 % davon auf nur einen von ihnen. Bei vielen Hunderassen lässt sich sogar nur ein Rüde als Ursprung dieser Rasse feststellen. Eine Rasse bzw. Art muss ein gewisses Maß an Homozygotie aufweisen, damit bestimmte Merkmale immer vererbt werden, bei denen es sich nicht nur um reine Äußerlichkeiten handelt, sondern zum Teil um überlebensnotwendige Merkmale. Ein Hund braucht in arktischer Umgebung immer ein wärmendes Fell, in sehr warmen Gegenden dagegen immer ein kurzes. Andererseits brauchen alle Individuen ein gewisses Maß an Heterozygotie, um auf unterschiedliche Situationen angemessen reagieren zu können, sei es auf Stress, Temperaturwechsel, Nahrung oder was immer auch an Unterschieden auftauchen kann, vor allem auf erworbene und nicht ererbte Krankheiten. Ein heterozygotes Immunsystem ist in der Regel effektiver als ein inzüchtiges.
Zur näheren Beschäftigung mit diesem Thema sei das Buch von H. Wachtel - Hundezucht 2000 - empfohlen. Festzuhalten ist an dieser Stelle als Quintessenz aus diesem Buch:
1. ein leistungs- bzw. vitalitätsorientiertes Zuchtziel sorgt dafür, dass die negativen Folgen der Inzucht mindestens gemildert werden, weil u. a. Tiere, die aufgrund körperlicher Defekte keine Leistungen erbringen können, keine Verwendung in der Zucht finden.
2. bei leistungsorientierten Zuchten wird durch das Auftauchen von nicht nahe verwandten, aber leistungsstarken Tieren ein automatischer Anreiz geboten, diese Tiere in der eigenen Zucht einzusetzen, also den Inzuchtgrad gering zu halten.
3. Inzucht ohne die Korrekturmöglichkeiten über Leistung bringt automatisch eine genetische Verarmung mit sich, die wiederum als Konsequenz eine verminderte Lebensqualität mit sich bringt.
Nicht ganz zu Unrecht fordert Dr. Wachtel deshalb – außer der größtmöglichen Aufgabe von Inzucht - als Zuchtvoraussetzung eine der Rasse angemessene Leistungsprüfung. Die sportlichen Angebote an Hunde aller Rassen aber auch an Mischlinge werden immer unterschiedlicher und zahlreicher. Da ist vermutlich für jeden etwas dabei, und wenn nicht, kann man sich ja Gedanken machen, welche Leistung eine der Rasse angemessene Leistung sein könnte. Immerhin zeigt sich in dieser Hinsicht auch im Bereich der Zucht ein Licht am Ende des Tunnels. Ein Border Collie Verein hat sich in die Zuchtordnung geschrieben, dass eine Zuchtzulassung nur aufgrund erbrachter Leistungen erfolgt. Eine Bewertung des Äußeren findet ausdrücklich nicht statt. Wobei das auf der anderen Seite möglicherweise eine Überreaktion darstellt. Es ist nach meiner Auffassung nichts dagegen einzuwenden, Hunde vor der Zucht auch beispielsweise auf vererbbare Gebissfehler zu untersuchen, die zu Behinderungen oder Schmerzen bei den Nachkommen führen können. Bei einigen Barsois trat vor mehreren Jahren mit Fangzahnengstand eine schmerzhafte Gebissdeformation auf. Der DWZRV reagierte sehr schnell und offenbar effektiv, indem alle Richter verpflichtet wurden, alle vorgestellten Hunde darauf zu untersuchen und das Ergebnis im Bericht festzuhalten. So kam man sehr schnell an ausreichendes Datenmaterial, um geeignete Maßnahmen treffen zu können. Ohne Ausstellungen wäre das nicht möglich gewesen.
Bei Hundeausstellungen soll auch das rassetypische Wesen der einzelnen Hunde berücksichtigt werden. Da das Wesen ein sehr komplexer Begriff ist, ist eine Beurteilung im Rahmen einer Ausstellung nur schwer möglich. Der Deutsche Retriever Club führt z. B. seit Jahren recht aufwändige Wesenstests durch. Es handelt sich dabei um Tests der Sozialverträglichkeit, das Verhalten in verschiedenen Umweltsituationen und die Schussfestigkeit. Feddersen-Petersen (S. 148 ff) hielt diese Tests zwar bereits 1992 für unzureichend, aber immerhin für einen Schritt in die richtige Richtung. Angesichts dieser relativ umfangreichen und zeitintensiven Tests mutet es seltsam an, wenn andere Verbände immer noch glauben, das Wesen von Hunden im Ausstellungsring beurteilen zu können. So ungefähr das Einzige, was während einer Ausstellung eventuell feststellbar ist, ist Aggressivität oder überhöhte Angst bei einem Hund. Weder aggressives noch ängstliches Verhalten ist in der Zucht tolerabel, und insofern sollten Hunde von der Zucht ausgeschlossen werden, die in dieser Hinsicht bei Ausstellungen auffällig werden, wenn es öfter vorkommt. Ein einmaliges Auffälligwerden kann von einer bestimmten nicht bemerkten Situation ausgelöst worden sein. Andererseits gibt ein ruhiges und sicheres Verhalten bei einer Ausstellung keineswegs eine gesicherte Auskunft darüber, wie ein Hund sich in anderen, ungewohnten Situationen benimmt. Im Bedarfsfall können Hunde auch mit Medikamenten so ruhig gestellt werden, dass sie zumindest bei Ausstellungen nicht auffällig werden.

Bei der Beurteilung und Veränderung rassetypischen Wesens sind die Halter sehr stark beteiligt. Border Collies gelten als sehr intelligente Hunde, die aber bei ungenügender Auslastung auch unangenehm werden können, weil sie dann anfangen, sich eine Beschäftigung zu suchen und die Familie oder auch vorbei fahrende Autos hüten. Das kann dann schon mal dazu führen, dass ein Kind einen blauen Fleck oder mehr abbekommt, was natürlich nicht sein darf. Deswegen ist man z. B. auf den Gedanken verfallen, zwei verschiedene Schläge von Border Collies zu züchten, einen, der nach wie vor in der Lage ist, Schafe zu hüten, und einen, der wohnzimmertauglich ist. Vermutlich will man einen Hund haben, der schnell begreift, wie er eine Menge Kunststückchen auszuführen hat. Der Hund soll zwar eine Arbeit verrichten, aber Arbeit machen, das darf er nicht. Dass in solchem Fall wieder einmal die Menschen versagt haben und nicht der Hund, wird dann vollkommen uninteressant. Ein aufschlussreiches Beispiel dazu gab eine Diskussion in einem mittlerweile geschlossenen Internetforum. Die Frage war, ob es das Wesen von Whippets negativ beeinträchtigt, wenn sie auf der Rennbahn rennen dürfen. Ein Halter berichtete darüber, dass er negative Wesensveränderungen in diesem Fall bei seinem Whippet wahrgenommen hätte, ohne allerdings eingehender zu erläutern, worin dieses Negative sich nun äußerte. Die Konsequenz war natürlich, dass seine Hunde nicht mehr zur Rennbahn durften. Nun wundert es mich nicht, dass der Hund sich eventuell verändert hat. Er hatte erstmals eine „Beute“ erlegt – in diesem Fall wahrscheinlich einen Plastikfetzen als Lockmittel. Er hat genau das getan, was in seiner Erbmasse angelegt war. Dass sich das positiv auf sein Selbstbewusstsein niedergeschlagen hat, ist doch ebenso verständlich wie sein Bedürfnis nach Wiederholung dieses Erfolgserlebnisses. Versagt hat hier der Halter, der nicht in der Lage war, seinen Hund zu erziehen.
Wieso müssen Menschen sich unbedingt einen Rassehund zulegen, wenn sie nicht gewillt oder in der Lage sind, diesem eine Beschäftigung anzubieten, die ihm entspricht? Der Vorteil, den Rassehundezucht bietet, nämlich, dass man sich vorher darüber informieren kann, was mit einem Hund anzustellen ist und was er für Bedürfnisse hat, wird völlig ignoriert. Die Hauptsache ist, man hat einen seltenen Hund an der Leine. Wo Hütehund drauf steht wie bei einem Border Collie, darf doch wohl auch Hütehund drin sein. Und wenn bei einem Berner Sennenhund, Maremma oder Kangal irgendwann aus einem kleinen, putzigen Teddy ein ausgewachsener Hund geworden ist, bei dem sich bemerkbar ist, dass er kein Hütehund ist, sondern ein Herdenschutzhund, dann ist Holland in Not. Dann heißt es, der Hund sei aggressiv, womöglich schon aggressiv gezüchtet. Die Schuld bekommen alle anderen, nur nicht diejenigen, die sich nicht die Zeit genommen haben, sich vor der Anschaffung eines Hundes zu informieren oder sich die nötige Zeit für den Hund zu nehmen.

Ausstellerterminologie und Züchterideologie
Im Zusammenhang mit Ausstellungen entstehen verschiedene Ausdrucksweisen. Einige davon will ich näher beleuchten.
„Hervorragender Rassevertreter“ Angeblich ist ein Champion auch immer ein hervorragender Rassevertreter. Nach dem bisher Geschilderten ist das eigentlich gar nicht so klar. Der Besitzer eines erfolgreichen Gebrauchshundes wird kaum auf die Idee kommen, seinen Hund so zu bezeichnen. Der Grund ist ganz einfach darin zu suchen, dass der Hund es durch seine Tätigkeit beweist. Der Besitzer hat es gar nicht nötig, darauf hinzuweisen. Deswegen kommt er auch gar nicht erst auf den Gedanken, das zu tun. Bei einem Hund, der nichts weiter zu bieten hat als dieses oder jenes Schönheitschampionat, liegt der Fall anders. Wenn man es nicht immer wieder betont, bekommt es am Ende keiner mit, und dann war der ganze Aufwand umsonst.
„Zwingertyp“ Es gehört angeblich zu einem guten Züchter, dass er ein bestimmtes Bild im Kopf hat, wie sein idealer Rassehund aussieht. Auf dieses Bild soll er bei so vielen seiner Hunde wie eben möglich hinarbeiten. Sie sollen eine bestimmte Form haben. Es handelt sich hierbei um eine ganz bestimmte Ausprägung der bereits erwähnten Umkehrung der Formel „Die Form folgt der Funktion“. Für einen guten Gebrauchshund ist ein bestimmter Rahmen vorgegeben, innerhalb dessen er seine Funktion erfüllen kann. Aber dieser Rahmen kann relativ groß sein. Da jeder Standard verschiedene Interpretationen zulässt, besteht auch die Möglichkeit, dass innerhalb einer Rasse verschiedene Typen existieren. Es gibt also nicht den einen Typ, der standardgerecht im Sinne der Interpretation durch Richter ist. Es ist auch nicht erwünscht, denn ansonsten gäbe es keine Möglichkeit für Richter, anders zu entscheiden als andere Richter, und es gäbe auch keine Möglichkeit für Züchter, ihre Hunde von denen anderer Züchter zu unterscheiden. Und es gibt auch nicht den einen Typ, der eine Arbeit am effektivsten ausführen kann. Um es wieder einmal an Windhunden zu verdeutlichen: selbst Wurfgeschwister, denen man die Verwandtschaft überhaupt nicht ansieht, können fast gleiche, objektiv messbare Leistungen auf der Rennbahn erbringen. Die endgültige Form ist also nur bedingt für die konkrete Leistungsfähigkeit eines Lebewesens ausschlaggebend. Demzufolge hat ein einheitlicher Typ einer Zuchtstätte keinerlei Einfluss auf die Leistungsfähigkeit. Die Festlegung auf einen Zwingertyp wäre für Züchter von Gebrauchshunden dagegen eine massive Einschränkung. Wenn jemand jetzt einen Wurf plant, woher soll er wissen, was in den nächsten Jahren an interessanten Deckrüden auftaucht? Und sollte er etwa auf die bereits nachgewiesene Vererbung der soliden Leistung eines Deckrüden verzichten, nur weil dieser etwas anders aussieht als die Hunde, die er bisher hat? Eine absurde Vorstellung. Es kann durchaus vorkommen, dass man einen Hund aus einer Leistungszucht sieht und weiß, aus welcher Zucht er stammt. Aber es ist nicht das Ziel dieser Züchter. Wenn dagegen die Bewertung des Äußeren eines der vorrangigen Zuchtziele ist, wenn man sich durch Äußerlichkeiten von anderen Züchtern unterscheiden muss, sieht die Sache natürlich anders aus. Ich weiß leider nicht mehr, in welchem Buch ich es gelesen habe. Dort wurde die Meinung vertreten, ein guter Wurf sei von Anfang an daran zu erkennen, dass er sehr einheitlich aussehe. Das einzige, was ich daraus schließen kann, ist, dass alle Hunde in dem Wurf möglicherweise auch als erwachsene Hunde sehr einheitlich aussehen werden, aber ob nun ähnlich gut oder ähnlich schlecht, das ist eine ganz andere Frage.
„Bewahren und Verbessern“ Zu den selbstverständlichen Aussagen von Zuchtverbänden gehört auch, dass die Züchter ein vorhandenes Kulturerbe bewahren und verbessern sollen. In der Natur wird nichts bewahrt, nur um es zu bewahren. Wie die Bezeichnung es schon ausdrückt, wird eben nur Bewährtes bewahrt. Was sich als nicht stark oder funktionstüchtig genug erweist, verschwindet. Was bei dem züchterischen Bewahren herauskommt, sieht man beispielhaft an den Afghanischen Windhunden, deren „hervorragendste Rassevertreter“ mittlerweile bestenfalls als Karikaturen von Windhunden zu bezeichnen sind. Wie es eine ehemalige Zuchtbuchführerin des DWZRV einmal so treffend ausgedrückt hat: „Man weiß nicht, ob der Hund das Haar trägt oder das Haar den Hund.“ In der Zeitschrift „Unsere Windhunde 05/2012“ waren Bilder von Afghanischen Windhunden zu sehen, die jemand im Ursprungsland gemacht hat. Die sehen sehr viel anders aus als die Internationalen Topgewinner. Man kann die Topgewinner mit ebenso viel Berechtigung als „Afghanische Windhunde“ bezeichnen wie man Asiaten und Europäer als „Afrikanische Hominiden“ bezeichnen kann, bloß weil irgendwelche Vorfahren es in grauer Vorzeit einmal waren. Ähnlich sieht es beispielsweise auch bei vielen anderen Rassen aus, deren Gewinnertypen teilweise viel zu schwer sind, um sich noch angemessen zu bewegen (Bernhardiner, Deutsche Doggen …). Es gibt wahrscheinlich nur noch sehr wenige Rassen, die trotz dem Einfluss von Ausstellungen heute noch genauso aussehen wie vor 100 Jahren. Von Bewahren kann da also gar keine Rede sein. Und ob die vorgenommenen Veränderungen nun immer eine Verbesserung im Sinne der Hunde bzw. ihrer Lebensqualität darstellen, lässt sich mit gutem Grund bezweifeln.
„Der ursprüngliche Verwendungszweck war doch…“ Da den meisten Rassen eine Arbeit verwehrt bleibt, die dem ursprünglichen Verwendungszweck entspricht, müssen andere Arbeiten als Leistungsprüfung herhalten, die im 21. Jahrhundert möglich sind. Das Erhalten von Hunden zu einem bestimmten Zweck ist demnach in vielen Fällen eine akademische und keine praktische Frage. Das hat wiederum zur Folge, dass die Anatomie von Rassehunden sich möglicherweise der geforderten Leistung anpassen muss. Da aber – wie bereits gezeigt - Show und Arbeit sich nur bedingt miteinander vertragen, sind Showhunde zunehmend weniger in der Lage, anstrengende Arbeiten zu vollbringen, selbst wenn sie noch nicht allzu deformiert sind. Da ist es dann sehr einfach, auf Ausstellungsergebnisse zu verweisen, bei denen ja nach dem Standard gerichtet wird. Wenn Richter also entscheiden, dass ein Hund dem Standard in hohem Maße entspricht, wird daraus gefolgert, dass dieser Hund eben auch eigentlich in der Lage ist, die vor Urzeiten geforderten Leistungen zu vollbringen. Demzufolge soll der Hund eine aktuell geforderte oder überhaupt forderbare Ersatzleistung besser gar nicht erbringen können, weil er dann ja nicht mehr dem Standard entspräche. In der Regel wird der ursprüngliche Verwendungszweck einer Rasse von den Züchtern als Argument benutzt, deren Hunde keine dem ursprünglichen Verwendungszweck entsprechende Leistung erbringen müssen - auch wenn sie es eventuell könnten. Den anderen ist der ursprüngliche Zweck meistens eher gleichgültig. Es gibt sicherlich erfolgreiche Showhunde, die eine Ersatzleistung trotzdem bringen können. Allerdings ist es eher unwahrscheinlich, dass sie dazu in der Lage sind. Dr. Wachtel bemerkt dazu sehr treffend in der Zeitschrift „Wuff“: „Obwohl jede erzüchtete Leistung zurückgeht, wenn sie nicht mehr gefordert wird, wird in den Rassebeschreibungen oft noch eine Illusion gepflegt. Noch schneller aber wird die Leistung absinken, wenn die Rasse dem Erfordernis aus modisch begründeten Richterurteilen nicht mehr entsprechen kann.“ Viele Züchter bestehen darauf, dass ihre Hunde eine ursprüngliche Arbeit oder eine Ersatzarbeit noch leisten können. Es ist ja durchaus möglich, aber allein die Tatsache, dass sie es für erwähnenswert halten, sagt einiges darüber aus, dass es bei der entsprechenden Rasse eben nicht an der Tagesordnung ist.
„erwünschte Eigenschaft“: Ein Standard beschreibt ursprünglich, wie ein Hund in idealer Weise aussehen soll, um eine bestimmte Funktion zu erfüllen ohne dass eine praktische Überprüfung notwendig ist. Zur tatsächlichen Erfüllung einer Funktion sind Eigenschaften nicht in erster Linie erwünscht sondern nützlich oder sogar notwendig. Erwünschte Eigenschaften können aber alles Mögliche sein, eine bestimmte Ohrenhaltung ebenso gut wie eine bestimmte Winkelung der Hinterhand, bestimmte Wesensmerkmale oder Übergewicht. Jede nützliche bzw. notwendige Eigenschaft ist erwünscht, aber es ist deswegen noch keineswegs gesagt, dass eine erwünschte Eigenschaft auch in jedem Fall eine nützliche Eigenschaft ist. Diese Verschiebung der Bewertung vom Nützlichen zum Erwünschten beinhaltet eine Tendenz zur Übertreibung, weil das Erwünschte der Selbstzweck ist.

Schlussbetrachtung
Ausstellungen sind Selbstzweck und darum entgegen anders lautenden Ansichten nur für Ausstellungen gut. Übertypisierungen sind deswegen keine unerwünschte, bedauerliche Nebenwirkung sondern die logische und über kurz oder lang unausweichliche Konsequenz, wobei der Begriff der Übertypisierung alles beinhalten kann von einer leichten Abweichung in der Halslänge bis zu schweren Deformationen wie Bassetohren oder Bulldogschädeln.
Ausstellungen sind nicht die Ursache für die Entstehung von Defekten. Aber sie sind eine – wenn nicht DIE - Ursache für die massive Verbreitung von Defekten. Das ließe sich nur dadurch mildern, dass Hunde vor einer Bewertung, die sie zur Zucht zulässt, ausreichende körperliche Fitness bei rassegerechten Arbeiten nachweisen müssen, weil übertypisierte Hunde nicht in der Lage sind, rassegerechte Arbeiten in ausreichender Weise zu leisten. Als zusätzliches aber nicht einziges Zuchtkriterium könnten Ausstellungen durchaus nützlich sein. Wenn sie fit sind, dürfen Hunde auch schön sein.
Ausstellungen sind der Ort, an dem wie nirgends sonst darüber entschieden wird, welche Hunde in der Zucht Verwendung finden. Damit wird dort auch über Wohl und Wehe der Hunde entschieden. Aussteller sollten sich deshalb darüber im Klaren sein, dass Ausstellungen keineswegs nur das harmlose Wochenendvergnügen sind als das sie gerne gesehen werden.

Literaturnachweis
Elke Peper, Gutes Handling, Mürlenbach/Eifel 1996
Peter Beyersdorf, Unser Hund auf Ausstellungen , Mürlenbach/Eifel 2005
Gert Haucke, Hund aufs Herz, 3. Auflage Hamburg 2004
Malcolm B. Willis, Genetik der Hundezucht, Mürlenbach/Eifel 1994
Hellmuth Wachtel, Hundezucht 2000, Weiden 1997
Hellmuth Wachtel, Hundezucht – Quo vadis? Artikel in Wuff – Das Hundemagazin 11/2005
Dr. Dorit Feddersen-Petersen, Hunde und ihre Menschen, Stuttgart 1992
Willi Hasselbrink, „Betrachtungen über die Veränderung des Standards für
Irish Wolfhounds“ in „Windhunde – Die angenehmen Begleiter“ DWZB Band XXXIX
Andrea Steinfeldt, „Kampfhunde“,Geschichte, Einsatz, Haltungsprobleme
von „Bull-Rassen“- Eine Literaturstudie -INAUGURAL – DISSERTATION zur Erlangung des Grades einer Doktorin der