Statements

was ich immer schon sagen wollte....

Der Whippet auf Abwegen
Artikel in UW 09.10 S.72 veröffentlicht
Vor fast 20 Jahren zog mein erster Whippet bei mir ein und seit dem bin ich nun aktiv im Windhundgeschehen auf Ausstellungen, Coursing und ein bisschen Rennen, habe zwar nie selber gezüchtet jedoch zahlreiche Zuchtaktivitäten intensiv begleitet und bin nun mehr als drei Jahre tätig in der Funktion als ZKM. Über all diese Zeit fühlte ich mich gut aufgehoben mit unserer Rasse Whippet und dem Geschehen in der Zucht – im Großen und Ganzen war alles gut, die Vorgaben des Standard waren immer das Ziel: Der Whippet, die ausgewogene Kombination von Muskelkraft und Stärke, mit Eleganz und Grazie der Umrisslinien. Für Geschwindigkeit und Leistung gebaut. Jede Form der Übertreibung muss vermieden werden. Größe: Hündinnen 44 – 47 cm, Rüden 47 – 51 cm. Dass es in diesem Rahmen möglich ist erfolgreich Whippets zu züchten, belegen die unzähligen Titel und nicht zuletzt die Langlebigkeit vieler Hunde, die Gott lob noch immer in unserem Verband gezüchtet werden.
Aber die Entwicklung in der letzten Zeit lässt mich mit Blick auf das Ganze an der Verantwortung und Ernsthaftigkeit einiger Züchter zweifeln.

Für die, die es nicht wissen, hier eine kleine Geschichtsstunde (garantiert kurz und schmerzlos): Vor zwanzig Jahren hat sich der WCD aus ehemaligen DWZRV-Mitgliedern gegründet, da sie mit der damaligen Regelung „nur Whippets im Standardmaß sind zur Zucht zugelassen“ unzufrieden waren. Aber auch in den verbliebenen eigenen Reihen wurden immer mehr Stimmen laut, die das „Problem Größe“ gelöst wissen wollten. So führte man dann die Zuchtwertschätzung ein, die einige jedoch nicht als hilfreiches Element in der Zucht erkennen und annehmen wollten, so dass die ZWS nach wenigen Jahren wieder ad acta gelegt wurde. Man entschied sich nun auf den Sachverstand und die Eigenverantwortung der Züchter zu setzen und gab die Größe „frei“ um international den Anschluss nicht zu verlieren.
Mit dem heutigen Ergebnis, dass inzwischen immer mehr ausschließlich am Limit und drüber gezüchtet wird.

Da stehe ich z.B. neulich am Ausstellungsring, vor mir die Siegerin des heutigen Tages und der Nachbar sagt zur Besitzerin: „eine wunderschöne Hündin, aber ist die nicht ganz schön groß?“ Zu meinem Entsetzen kommt die Antwort: „Wieso, die ist doch nicht groß. Die ist 48 cm.“ Natürlich ist das groß, das ist sogar zu groß!
Zur Erinnerung: 48 cm ist das Renngrößenmaß in Deutschland! Nun ist dieser 1cm für sich genommen nicht das Drama, was sich jedoch inzwischen in den Köpfen verfestigt hat, schon. Nur weil wir sowohl das Ausschlussmaß als auch die ZWS abgeschafft haben, bedeutet dies doch nicht, dass es völlig egal ist wie viel Zentimeter ein Whippet misst. Denn mit der Größe geht neben der Höhe des Hundes auch die Masse einher. Da sieht man inzwischen Rüden die 18 kg und mehr auf die Waage bringen. Das entspricht nicht mehr dem Bild eines Whippets und kann nicht gut für unsere Rasse sein!

Auch die extreme Typveränderung, die in jüngster Vergangenheit Einzug gehalten hat, bereitet mir inzwischen echte Sorgen. Sie nimmt stellenweise befremdliche Formen an.
Natürlich verfolgt man in seiner Zucht ein bestimmtes Ziel (so sollte es jedenfalls sein) und möchte das eine oder andere verbessern und/oder besondere Merkmale verfestigen. Irgendwann setzt der Standard dann aber Grenzen - dafür wurde er gemacht. Und genau hier beginnt die eigentliche und schwierige Züchtertätigkeit, nämlich der Erhalt des erreichten Niveaus.
Nun meinen aber anscheinend einige, sie müssten den geforderten Erhalt der Typenvielfalt der Rasse in besonders kreativer Form erfüllen. Mit der Folge, dass wir Whippets zu sehen bekommen, die maßlos überwinkelt sind, extrem lange Schwanenhälse haben, steil in der Schulter, mit zu schweren Köpfen, die zu lang und zu gerade im Rücken sind, bis hin zu schäferhundartigen Rückenlinien, …. Eben übertriebene “Showdogs“, bei denen die Funktionalität auf der Strecke bleibt.
Die Funktionalität unserer Hunde war aber auch immer Garant für ihre Gesundheit. Begeben wir uns nun auch auf den Weg (wie bei vielen anderen Rassen bereits traurige Realität), auf Kosten unseres Schönheitsideals das wichtigste Kriterium außer Acht zu lassen –gesunde Hunde zu züchten?
Ich möchte hier auch die „Rennhunde“ nicht ganz ungescholten davon kommen lassen. Da hat die Geschwindigkeit oberste Priorität, ebenfalls ohne Rücksicht auf den Standard. Irgendwie muss noch eine hundertstel Sekunde rausgekitzelt werden. Nicht zuletzt befassen wir uns nun hier mit dem traurigen Thema "Myostatin-Gen-Defekt".

Da kommt denn nun die letzte Richtertagung im Januar diesen Jahres zu der traurigen Erkenntnis: Obwohl es nur einen gültigen Standard gibt, ist die Schere zwischen Ausstellungs- und Rennhund immer weiter auseinander gegangen. Typ, Gangwerk, Gebäude u.s.w. streben in entgegen gesetzte Richtungen, Übertreibungen gibt es hüben wie drüben – die Schere wieder zu schließen ist unmöglich! und stellt die Frage: Wird das Zuchtziel des DWZRV „Schönheit und Leistung“ in absehbarer Zeit der Vergangenheit angehören?
Dies zu lesen treibt mir Tränen in die Augen.
Es gibt Stimmen die sagen: Wieso, im Ausland ist das doch nicht anders. Selbst in England sieht ein Rennhund völlig anders aus als ein Showdog. Müssen wir Deutschen denn immer meinen es besser zu können als die anderen?
Meine Gegenfrage: Wieso nicht? Waren die meisten von uns nicht immer stolz auf unser Zuchtziel S+L? Denn, wie oben bereits erwähnt, es ist absolut möglich auch unter solchen Rahmenbedingungen tolle Hunde zu züchten.

Die neuste „Vermarktungstaktik“ des ach so anpassungsfähigen Allrounders Whippet, die seine eigentliche Passion nur in einer Fußnote erwähnt, ihn aber als idealen Agility-, Fährten-, ja sogar Rettungshund, und für Obbidience geeignet anpreist, bereitet mir ebenfalls schlaflose Nächte.
Er muss doch nicht zum Verkaufsschlager als „Jedermanns-„ und “für alles Hund“ mutieren! Laufen wir damit nicht Gefahr unsere Whippets in falsche Hände zu geben und sie wohlmöglich zu überfordern?

Immer mehr Rasseneulinge beginnen bereits nach ein- zweijähriger Whippethaltung mit der „Vermehrung“ (sorry, aber anders kann ich das nicht bezeichnen). Natürlich gibt es nichts gegen Neuzüchter einzuwenden, jeder fängt schließlich mal an. Neben einem Züchterseminar sind jedoch ein gewisses Maß an Erfahrung mit und Kenntnis von der Rasse garantiert kein Hindernis, sondern sollten ein absolutes MUSS sein.
Wenn ich mir die neuesten Welpenstatistiken des VDH ansehe wird mir (abgesehen vom ebenfalls steigenden Schwarzmarkt) ganz schwindelig. Waren es 1999 noch 237 Welpen, so hat sich der Whippet in 2009 auf Platz 31, mit sagenhaften 744 Welpen, katapultiert.
Noch vor wenigen Jahren mussten Interessenten oft monatelang auf einen Whippetwelpen warten, es gab so etwas wie Wartelisten! Über „Windhunde in Not“ an ein Exemplar zu kommen war fast ausgeschlossen.
Heute warten Züchter immer länger auf Welpeninteressenten, da kann man bei der Auswahl der Welpenkäufer nur noch schwerlich wählerisch sein. Trauriges Resultat: die Tierschutzorganisationen und Tierheime müssen sich inzwischen um immer mehr abgelegte Whippets kümmern. Auch ein Novum!

Das mit dem Sachverstand und der Eigenverantwortung scheint ja offensichtlich nicht bei allen funktioniert zu haben. Resignieren wir nun einfach, legen die Hände in den Schoß und sagen uns: „so ist das halt“ oder sollten wir die Rahmenbedingungen für die Zucht doch wieder etwas erschweren? „Nein, wir wollen uns nicht rein reden lassen!“ höre ich da schon viele Züchter. Aber, das tut doch auch keiner! Der VDH gibt die Zuchtordnung vor – das ist die etwas ausgeschmückte Variante des Tierschutzgesetzes (das übrigens für Jedermann in unserem Land Gültigkeit hat) mit einer Fülle von Empfehlungen an die Rasseverbände, welche wiederum die Möglichkeit haben diese entsprechend umzusetzen und gegebenenfalls auch zu erweitern. Ein Rasseverband ist aber nicht irgendwer irgendwo, sondern das sind wir – die Mitglieder, sofern wir von unserem Mitbestimmungsrecht Gebrauch machen. Wir sollten unsere uns selbst auferlegten Zuchtbestimmungen nicht als Zwangsjacke empfinden, sondern als ein Prädikat, das uns von anderen abhebt – so war das jedenfalls mal gedacht?!

Bitte besinnt euch wieder auf das Wesentliche. Wie betreiben Hobbyzucht! Der Whippet sollte trotz Globalisierung und Veränderung unserer Gesellschaft das bleiben dürfen, was er immer war: ein kleiner toller Windhund – eben ein Sighthound - mit seinen ganz eigenen Besonderheiten, deren Erhalt das oberste Ziel sein sollte!


Petty Kamp

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Zum Thema GRÖSSE!

Die Größe des Whippet ist seit zig Jahren ein sehr heikles Thema. Treffen sich mehrere Whippetbesitzer und das Thema Größe kommt zur Sprache, so artet dies meist in eine hitzige Diskussion aus (außer man ist sich völlig einig), denn hier treffen oft die unterschiedlichsten Meinungen aufeinander. Der eine meint, es sei doch völlig egal, wie groß ein Whippet ist - hauptsache, er sieht noch aus wie einer. Der nächste sorgt sich um die Typenvielfalt und möchte auf keinen Fall eine Einschränkung des Genpool. Dann gibt es Vertreter der Zuchtwertschätzung, die sicher sind, diese hätte das Problem lösen können. Und zuletzt sind da noch die, die nur Whippets in der Zucht eingesetzt sehen möchten, welche im Maß sind.                               
Egal, was immer unternommen wurde die Größe in Schach zu halten, es war und ist ein Problem. Bis 19.. wurden im DWZRV alle Whippets außer Maß auf Ausstellungen nicht höher als sg bewertet, grundsätzlich nicht zur Zucht zugelassen und von offiziellen Rennen ausgeschlossen, sie bekamen keine Rennlizenz. Um aber auch den "großen " Hunden die Möglichkeit der artgerechten Bewegung und ihren Besitzern einen entsprechenden Anreiz zu bieten, führte man die nationale Klasse ein.                                         
Mit der Zuchtwertschätzung versuchte man dann, dem Problem Herr zu werden. Auf Ausstellungen mussten alle Whippets gemessen werden, diese Daten wurden gesammelt und daraus ein Mittelwert für jeden Hund errechnet, welcher natürlich auch Einfluss auf den ZW seiner Verwandschaft hatte. Nur Hunde, deren gemeinsamer ZW nicht eine bestimmte Summe überschritt, durften miteinander verpaart werden. Dies war mit einem riesigen organisatorischen und bürokratischen Aufwand verbunden. Schon bald wurden Stimmen laut, dass das Prozedere der ständigen Messungen eine Zumutung, die Erfassung der Hunde zu lückenhaft und die Untersagung vereinzelter Wunschverpaarungen (es konnte durchaus vorkommen, dass beide Hunde selber im Maß waren, ihr ZW aber zu hoch) nicht nachvollziehbar sei. Nach nur drei Jahren schaffte man die ZWS wieder ab. 
Derzeit ist das Idealmaß des Whippet nur noch im Sportbereich bindend, aufgrund der Renngrößenmessung. Die Einhaltung des Größenmaß ist der Eigenverantwortung der Züchter überlassen und dem Ermessen des Richters, in wie weit er die Größe in seine Bewertung mit einbezieht und ein "zu viel" gewichtet. Wenn man sich nun einmal die aktuellen Zahlen ansieht, stellt man fest, dass sich die Größe der zur Zucht eingesetzten Hunde in den vergangenen Jahren im Durchschnittswert um 1,5cm erhöht hat. Leider gibt es keine Übersicht darüber, wie groß nun unsere Whippets im allgemeinen sind und ob mit der Freigabe auch ein entsprechender Anstieg zu erkennen ist, aber es ist doch klar zu erkennen, dass man im Ausstellungsring immer größere und vor allem schwerere Whippets zu sehen bekommt und auch bei den Renngrößenmessungen sind inzwischen Hunde von über 58cm anzutreffen. Dieser Umstand hat nun dazu geführt, dass auf Ausstellungen wieder vermehrt der Messgalgen zum Einsatz kommt.                                                  
Ist die Größe des Whippet eigentlich gar kein Thema, sondern das Problem nur herbei geredet? Der Streit hierum ist beinahe so alt wie Rasse selbst. Sehr große Whippets und auch sehr kleine gab es ja schon immer, vielleicht wurden sie früher nur einfach nicht gezeigt? Und heute traut man sich?
Ein paar Zahlen gibt es, wenn auch nur von gekörten bzw. zur Zucht verwandten Hunden:
2000 waren noch 77% der eingesetzten Rüden zwischen 49,5 und 51 cm und 6,5% bis 52 cm groß
2010 waren 65,6% zwischen 49,5 und 51 cm, aber auch 26% über 51 bis 55,5 cm
In 2006 zeigten sich unsere Züchter besonders experimentierfreudig: 36% der Rüden waren 49,5-51 cm und 42% waren 51-55,5 cm groß!
Die zur Zucht verwandten Hündinnen waren im gesamten Zeitraum durchnittlich zu 83% zwischen 45 und 48 cm groß - hier ist die Verlagerung auf den "zusätzlichen" Zentimeter (47-48) interessant:
2000 waren dies 26% und 6,3% waren bis 49,5cm groß
2006 waren es 42% und 10% waren bis 52,5 cm groß
2010 waren es 37,6% und 14,4% waren bis 51 cm groß!
Nur zur Erinnerung:
Laut Standard dürfen Rüden bis 51 cm und Hündinnen bis 47 cm groß sein.

Und im Anschluss noch ein paar Daten die nachdenklich stimmen:
Im Vergleich stehen hier die "nationale Klasse-Whippets" und gekörte Whippets außer Maß.
In den ganzen Jahren (2003 bis 2006) liegen die Prozentzahlen der "aktiven" Hunde relativ gleich auf. Seit 2007 werden die "Rennhunde" immer kleiner???...
gekörte Hundenationale Klasse
200517,39%  (Jahrgang 03)18,84%
200632,39%  (Jahrgang 04)30,32%
200733,33%  (Jahrgang 05)20,96%
200823,33%  (Jahrgang 06)8,5%
200922,44%  (Jahrgang 07)9,39%
201022,85%  (Jahrgang 08)6,89%